Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: August Bebel
Vom Netzwerk:
Zwecke. Selbst jener Harlekin unter den Schwärmern "für minnigliche Frauen", jener Ulrich von Lichtenstein lächerlichen Angedenkens, war nur so lange Platoniker, als er es sein mußte. Im Grunde genommen war jener Minnedienst die Vergötterung der Liebsten auf Kosten – der legitimen Frau, ein ins Mittelalterlich-Christliche übertragener Hetärismus , wie er zur Zeit des Perikles in Griechenland bestand. Die gegenseitige Verführung der Frauen war auch in der Ritterschaft ein stark geübter Minnedienst, so wie sich heute ähnliches in gewissen Kreisen unserer Bourgeoisie wiederholt.
     
    Unzweifelhaft lag in jenem Zeitalter in dem offenen Rechnungtragen der Sinnenlust die Anerkennung, daß der in jeden gesunden und reifen Menschen eingepflanzte Naturtrieb die Berechtigung hat, befriedigt zu werden. Insofern lag darin ein Sieg der gesunden Natur über die Askese des Christentums. Andererseits muß immer wieder hervorgehoben werden, daß diese Anerkennung nur für das eine Geschlecht in Betracht kam, daß hingegen das andere behandelt wurde, als könnte und dürfte es nicht die gleichen Triebe haben. Die geringste Übertretung von seiner Seite, der von der Männerwelt vorgeschriebenen Moralgesetze, wurde auf das härteste bestraft. Und das weibliche Geschlecht hat infolge fortgesetzter Unterdrückung und eigenartiger Erziehung sich so in den Ideengang seines Beherrschers hineingelebt, daß es diesen Zustand bis heute natürlich findet.
     
    Gab es nicht auch Millionen Sklaven, die die Sklaverei natürlich fanden und sich nie befreit hätten, erstanden ihnen nicht aus der Klasse der Sklavenhalter die Befreier? Petitionierten doch preußische Bauern, als sie infolge der Steinschen Gesetzgebung aus der Hörigkeit befreit werden sollten, darum, sie darin zu lassen, "denn wer solle für sie sorgen, wenn sie krank würden oder alt seien?" Und ist es bei der modernen Arbeiterbewegung nicht ähnlich? Wie viele Arbeiter lassen sich noch von ihren Ausbeutern beeinflussen und willenlos leiten.
     
    Der Unterdrückte bedarf des Anregers und Anfeuerers, weil ihm die Unabhängigkeit zur Initiative fehlt. So war es in der modernen Proletarierbewegung, und so ist es in dem Kampfe für die Emanzipation der Frau. Sogar dem in seinem Befreiungskampf vergleichsweise günstig gestellten Bürgertum brachen adlige und geistliche Wortführer die Bahn.
     
    Wie viele Mängel das Mittelalter hatte, es besaß eine gesunde Sinnlichkeit, die einer kernhaften, lebensfrohen Volksnatur entsprang, die das Christentum nicht zu unterdrücken vermochte. Die heuchlerische Prüderie und versteckte Lüsternheit unserer Zeit, die sich scheut und sperrt, die Dinge beim rechten Namen zu nennen und über natürliche Dinge natürlich zu sprechen, war ihm fremd. Es kannte auch nicht jene pikante Zweideutigkeit, in die man Dinge, die man aus mangelnder Natürlichkeit oder aus Sitte gewordener Prüderie nicht offen nennen will, einhüllt und damit um so gefährlicher macht, weil eine solche Sprache reizt, aber nicht befriedigt, nur ahnen läßt, aber nicht klar ausspricht. Unsere gesellschaftliche Unterhaltung, unsere Romane und unsere Theater sind voll dieser pikanten Zweideutigkeiten, und die Wirkung davon liegt zutage. Dieser Spiritualismus des Roués, der sich hinter den religiösen Spiritualismus versteckt, hat eine gewaltige Macht.
     
Fünftes Kapitel - Die Reformation
 
1. Luther
 
    Die gesunde Sinnlichkeit des Mittelalters fand in Luther ihren klassischen Dolmetsch. Mit dem religiösen Reformator haben wir es hier weniger zu tun, als mit Luther als Mensch. Im Menschlichen trat Luthers kräftige urwüchsige Natur unverfälscht hervor; diese zwang ihn, rückhaltlos und treffend sein Liebes- und Genußbedürfnis auszusprechen. Seine Stellung als ehemaliger römischer Geistlicher hatte ihm die Augen geöffnet. Er hatte die Unnatur des Mönchs- und Nonnenlebens in der Praxis, sozusagen am eigenen Leibe kennengelernt. Daher die Wärme, mit der er das priesterliche und klösterliche Zölibat bekämpfte. Seine Worte gelten auch heute noch jenen, die glauben, wider die Natur sündigen zu dürfen, und meinen, mit ihren Begriffen von Moral und Sittlichkeit es vereinigen zu können, wenn die staatlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen Millionen verhindern, ihren Naturzweck zu erfüllen. Luther sagt: "Ein Weib, wo nicht die hohe, seltsame Gnade da ist, kann eines Mannes ebensowenig entraten als Essen, Schlafen, Trinken und andere natürliche Notdurft.

Weitere Kostenlose Bücher