Die Frau vom Leuchtturm - Roman
umkämpften Markt der Edelantiquitäten ist Damon St. Claire nicht nur einfach brillant. Er ist eine Legende.
Als wir zusammen an der Universität von New york studierten, schwänzte Damon häufig die Seminare, um auf der Suche nach schönen Möbelstücken durch die Museen, Trödelläden und Galerien der Stadt zu streifen. Ich begleitete ihn oft zum Spaß auf seinen Ausflügen, gab mich aber meist damit zufrieden, nur zuzuschauen und die seltenen, kostbaren Objekte zu bewundern, die er entdeckte.
Damon war da ganz anders.
Damon musste die Hand auf die seidenglatten Hölzer legen, den Duft jahrhundertealter Kleber und Lacke einsaugen und mit seinen kurzen Stummelfingern jede exquisit gebildete Rundung und Linie an dem herrlichen viktorianischen Stuhl nachfahren, den er in einer vergessenen Ecke der Met entdeckte, oder an dem schmutzigen
georgianischen Sofa, das er in dem staubigen Lagerraum eines Pfandleihers fand, als sei er in der Lage, dadurch die geheime Geschichte zu entziffern, die sich in jedem liebevoll hergestellten Meisterstück verbirgt.
Mit Damon ein Museum zu besuchen, war, als bereite man einen Terroranschlag vor. Oft musste ich Schmiere stehen - ich, die brave junge College-Studentin lungerte an einer Tür herum und tat, als studierte ich den Ausstellungsprospekt, während mein zwergenhafter Komplize im Nebenraum über die Absperrung gestiegen war und wie ein Irrer vor sich hin murmelnd über einem unbezahlbaren Artefakt hing.
Obwohl wir tatsächlich über ein Jahr zusammenlebten - wenn man es denn leben nennen kann, wenn man sich zwei zugige Zimmer in einem Haus ohne Aufzug in SoHo teilt -, waren alle, die uns damals kannten, absolut sicher, dass Damon schwul ist. Vielleicht ist er das auch, obwohl ich von ihm noch nie ein einziges Wort gehört habe, das Begehren oder Sehnsucht gegenüber einem anderen Lebewesen gleich welchen Geschlechts ausgedrückt hätte.
Soweit ich weiß, gilt und galt Damons Leidenschaft einzig und allein wunderbaren Hinterlassenschaften aus alten Zeiten.
Als wir zusammenwohnten, fand unser kleiner Kreis von Künstlerfreunden Damons Besessenheit für alte Möbel fast so komisch wie sein Äußeres, wenigstens bis zu dem Vorfall, der später unter dem Namen »Armoire-Affäre« bekannt wurde.
Alles begann mit der Neuigkeit, dass ein äußerst seltener und wunderschöner Louis-XV.-Armoire bei einer Auktion versteigert werden sollte. Damon, dem es, selbst
wenn wir am Verhungern waren, immer gelang, an die kostbar ausgestatteten Hochglanzkataloge zu kommen, die exklusive Auktionshäuser nur an ihre handverlesenen Kunden verschicken und die meist mehrere hundert Dollar kosten, hatte kaum einen Blick auf das ganzseitige Farbfoto und die dazugehörige Beschreibung des berühmten französischen Schranks geworfen.
Dann erklärte er ihn zur Fälschung.
Da er das Schreiben angeblich hasst, zwang er mich dazu, eine kurze Notiz an Christie’s zu verfassen, das Auktionshaus, das mit dem Verkauf des Armoire beauftragt war. In dem Brief erklärte ich detailliert, warum das angebliche Meisterstück unmöglich echt sein konnte.
Nicht gerade erstaunlich, dass Christie’s wenig beeindruckt davon war, wie wir nassforsch das berühmte Objekt auseinandernahmen. Tatsächlich machten sie sich dort nicht einmal die Mühe, unseren Brief zu beantworten. Drei Tage später lasen wir, dass der französische Schrank für 450.000 Dollar verkauft worden war; zu der damaligen Zeit fast ein Rekordpreis für ein europäisches Möbelstück aus dem 18. Jahrhundert.
Sie können sich also unser Erstaunen vorstellen, als wir mehrere Monate nach der Auktion eine mysteriöse Luncheinladung von Sir Edward North erhielten, Christie’s Chefkurator für europäische dekorative Kunst.
Sir Edward, ein gelehrt wirkender Engländer, der aussieht, als gehöre er in einen Hörsaal in Oxford, erklärte uns entschuldigend, unser Brief sei verlegt und erst lange nach dem Verkauf des französischen Schranks wiedergefunden worden. Doch als er schließlich dazu gekommen sei, ihn zu lesen, so gestand der steife Kurator, habe
er sofort erkannt, dass er und seine Firma auf peinliche Weise von einem Fälscher getäuscht worden waren.
Der Fälscher war gut, aber nicht so gut wie Damon.
Am stärksten hatte Sir Edward, wie er im Lauf dieses denkwürdigen Essens erklärte, nicht der Umstand beeindruckt, dass Damon eine kaum erkennbare Unstimmigkeit entdeckt hatte, durch die sich die Fälschung entlarven ließ - ein exotisches
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