Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
allerdings, dass ihre Muskeln immer mehr erschlafften. Es war fraglich, wie lange sie es noch schaffen würde weiterzumachen.
Wenn er doch nur aus dem Raum gehen würde.
Aber er stand immer noch da. Nun vollkommen reglos.
Sebastian spähte durch das zerbrochene Fenster neben der Haustür in einen Raum hinein, der allem Anschein nach einmal die Küche des Hauses gewesen war. Es war schmutzig dort drinnen, und die Wände waren bekritzelt. Jemand hatte die Spüle aus der Wand gerissen, in einer Ecke stand ein alter Holzfeuerofen vom Beginn des vorigen Jahrhunderts und wurde vom Mondlicht beschienen. Ein Stück entfernt erahnte Sebastian den Schein einer Kerze, die wahrscheinlich im Zimmer nebenan stand. Er lauschte angestrengt, konnte jedoch nichts hören. Schlich zu der Eingangstür, die nur angelehnt war. Davor lagen Glassplitter. Er richtete sich auf.
Es war Zeit zu zeigen, dass er angekommen war.
Die Tür knarrte laut, als er sie aufzog und in den kleinen dunklen Flur trat.
«Ich bin jetzt da», rief er und blieb stehen, um die Reaktion abzuwarten. Es kam keine. Das Haus lag genauso still da wie zuvor.
Anscheinend war Hinde noch nicht bereit, sich zu zeigen.
Sebastian ging nach links und gelangte in die Küche, die er von außen gesehen hatte. Der halbe Fußboden war eingebrochen, und er musste um das schwarze Loch in der Mitte des Raums herumgehen. Es roch muffig und schimmelig, und er bewegte sich auf das flackernde Licht im Zimmer nebenan zu. Es war groß und pompös, vermutlich hatte sich hier einst der Speisesaal des Hauses befunden. Ein großer dunkler Abdruck auf dem bleichen Holzboden zeigte an, wo einmal ein Teppich gelegen hatte, und die Tapeten waren von der Last der Zeit gewellt und lösten sich in Streifen ab. Es sah aus, als hätten die Wände Arme, die sich ihm entgegenstreckten. Auf einem alten zierlichen Heizkörper aus Metall stand eine einsame Kerze, die nur mit einigen Tropfen Wachs befestigt war.
Von dem Raum aus konnte Sebastian in zwei Richtungen weitergehen. Direkt vor ihm lag ein weiteres großes Zimmer, und rechts führte ein anderer Korridor weiter ins Haus hinein. Von dort konnte er eine weitere Kerze flackern sehen. Vielleicht wollte Hinde, dass er den Kerzen folgte.
Das tat er jedenfalls.
Sie hörte die Stimme. Erst konnte sie sie nicht einordnen. Oder besser: Sie konnte die Stimme nicht mit der Situation in Einklang bringen.
Mühsam drehte sie sich zu Hinde um und begriff, dass sie richtig gehört hatte. Sein Gesicht leuchtete vor Erwartung. Er sah Vanja mit einem hochkonzentrierten Gesichtsausdruck an. Dies war die Stimme, auf die er gewartet hatte. Lange, lange Zeit.
Hinde nahm das Messer und schlich sich durch die Tür. Sie sah ihm nach und vergaß für einen Moment die Feder in ihrer Hand.
Was tat Sebastian hier? Und warum warnte er Hinde, bevor er ins Haus ging?
Das konnte doch nicht sein. Sebastian tat niemals etwas für jemand anderen als sich selbst. So funktionierte er. Das wusste sie ja.
Das wusste sie.
Und trotzdem war er hier.
Sebastian war mit dem Untergeschoss durch. Bis auf einige weitere Kerzen und etwas altes Gerümpel war es leer. Er ging zurück zu der Treppe, die nach oben führte und an der er beim Suchen mehrmals vorbeigekommen war. Jetzt sah er vorsichtig hinauf und lauschte. Rief erneut.
«Hallo.»
Aber er bekam wieder keine Antwort.
Er stieg die Treppe hoch und sah auf halber Höhe eine weitere Kerze. Allmählich war er das Spielchen leid.
Er rief erneut. Noch lauter: «Edward, ich weiß, dass du hier bist.»
Er ging weiter nach oben. Einige Stufen waren so verwittert, dass er über sie hinwegsteigen musste.
Oben angekommen, befand er sich neuerlich in einem Flur. Auf beiden Seiten lagen Türen und ganz am Ende noch eine. Alle verschlossen.
Sebastian ging auf die erste Tür zu und öffnete sie. Verrammelte Fenster, alles pechschwarz. Er öffnete die Tür ganz, damit das wenige Licht aus dem Flur hineindrang, und betrat das Zimmer. Es wirkte leer. Schräg in einer Ecke stand ein alter Schreibtisch. Sonst nichts.
Er wollte gerade wieder hinausgehen, als er ein leises Geräusch hinter sich in der Dunkelheit wahrnahm. Er drehte sich blitzschnell um. Zu spät. Schon spürte er Hindes Atem im Gesicht und das Messer an seiner Kehle. Er versuchte, ganz ruhig zu bleiben, und ließ sich von Hinde an die stinkende, feuchte Wand drücken.
«Auf diesen Moment habe ich gewartet», zischte Hinde.
Er kam Sebastian so nahe, dass der Hindes
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