Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
sich geraten vor Wut. Sie hätte es gleich kapieren müssen. Der Zusammenhang war ihr nur deshalb entgangen, weil es ein Handy war und keine normale Kamera. Sie starrte ihn wütend an. Er würde gezwungen sein, ihr das Nachthemd selbst anzuziehen. Nichts konnte sie dazu bringen, das freiwillig zu tun. Sie wusste, dass die Fotoserie Teil seiner Phantasie war, und die Reihen, die sie bei Ralph gesehen hatten, begannen alle auf dieselbe Art und Weise. Zuerst saß die Frau nackt und ausgeliefert da, genau wie sie selbst gerade dagesessen hatte. Auf dem nächsten Bild musste sie das Nachthemd tragen. Das wusste sie.
Dieses Bild zu machen würde ihn einiges an Zeit kosten. Dafür würde sie schon sorgen.
Statt einer Antwort schüttelte sie den Kopf und versuchte sich ihm zu entwinden. Er drückte sie gewaltsam auf die Matratze und drohte ihr sowohl mit dem Messer als auch mit der Elektroschockpistole. Sie versuchte, sich so zu wehren, dass sie das Geschehen in die Länge ziehen konnte, ohne dass er eine seiner beiden Waffen anwenden würde. Es war ein schwerer Balanceakt, sich so effektiv zu wehren wie möglich und ihm gleichzeitig das Gefühl zu geben, dass er sein Ziel bald erreicht hätte, dass er siegen würde, ohne sie schlagen zu müssen.
Alles nur, um Zeit zu gewinnen.
In diesem Moment spürte sie es plötzlich. Etwas Hartes und Scharfkantiges ragte neben der Matratze aus der rechten Seite des Bettes und stach ihr in die Hand. Mittlerweile hatte er begonnen, ihr das Nachthemd gegen das Gesicht zu drücken, und sie hatte sich so weit nach rechts geworfen, wie es nur ging, um ihm zu entkommen. Jetzt schielte sie nach dem scharfkantigen Gegenstand, wollte erkennen, was es war. Von ihrer Position aus gelang es ihr jedoch nicht, und außerdem bedeckte das Nachthemd ihre Augen fast komplett. Also versuchte sie ihn stattdessen mit der Hand zu ertasten, fand ihn jedoch nicht mehr, da sie nicht weiter nach rechts rücken konnte. Sie entschied sich, den Kampf wieder aufzunehmen, diesmal jedoch mit dem Ziel, den scharfen Gegenstand zu erreichen. Sie begann mit einem stummen Schrei, stemmte sich mit den Beinen hoch, bäumte sich auf und machte sich hart wie ein Stock, was Hinde für eine Sekunde aus der Fassung zu bringen schien. Dann warf sie sich erneut nach rechts und spürte, dass ihre Hand nun weiter reichte. Ihre Finger tasteten über den Rand der Matratze hinweg und suchten fieberhaft nach dem scharfkantigen Ding. Sie hoffte, dass es lose saß.
Hinde drückte sie wieder brutal nach unten und versuchte, die Kontrolle zurückzuerlangen. Sie ließ ihn gewähren, klammerte sich jedoch am Bettrahmen fest. Es funktionierte. Sie ließ zu, dass er ihr das Nachthemd ein Stückchen weiter überzog, und tastete gleichzeitig mit ihren Fingern. Sie spürte, wie er am Nachthemd zerrte, um es über ihren Kopf zu bekommen, und kämpfte mit dem linken Arm dagegen an. Der rechte suchte weiter, und plötzlich fand sie den Gegenstand wieder. Etwas Metallisches, hart und scharf. Im Gefecht ließ sie es wieder los, aber nun wusste sie ungefähr, wo es war, und hatte es schon bald wieder gepackt. Anscheinend war es eine Feder im Lattenrost, die lose saß. Sie zerrte mit Zeigefinger und Daumen daran, um sie loszubekommen, doch das funktionierte nicht. Also änderte sie ihre Taktik und bog sie vor und zurück, um sie allmählich aus ihrer Halterung zu drehen. Mehrmals, so schnell sie konnte. Vor und zurück.
Schließlich brach sie tatsächlich ab, und Vanja verbarg die Feder blitzschnell in ihrer Hand.
Sie ertrug, wie Hinde ihr das Nachthemd über den Kopf zog, damit er sich voll und ganz darauf konzentrierte, und der Plan ging auf. Er starrte sie aggressiv an. Hob erneut das Messer.
«Ich tue es», sagte er.
Sie nickte ihn resigniert an. Ließ ihn gewinnen. Ergab sich. Sie setzte sich auf und zog sich das Nachthemd ganz über, wobei sie die abgebrochene Sprungfeder in ihrer rechten Faust versteckte. Als sie das Nachthemd nach unten zog, ließ sie die Feder unbemerkt zwischen ihre Beine fallen und verbarg sie unter dem Stoff. Das Metallstück fühlte sich kalt, scharf und unbehaglich an zwischen ihren Oberschenkeln. Aber es war das Gegenteil. Es war ihre Hoffnung.
Hinde fotografierte sie noch einmal mit dem Handy. Dann trat er vor und schnitt den Kabelbinder auf, mit dem ihr linkes Bein ans Bett gefesselt war.
«Dreh dich um!»
Vanja wusste, was jetzt folgte. Sie sollte sich auf den Bauch legen. Erst hatte sie vor, es ihm zu
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