Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
erschweren, doch dann fiel ihr ein, dass es einfacher wäre, die Feder mitzunehmen, wenn sie sich selbst umdrehte. Sie legte ihr linkes Bein über das rechte, presste ihre Oberschenkel um die Feder und folgte der Bewegung mit dem Oberkörper. Als sich der Kabelbinder an ihrem rechten Bein in die Haut schnitt, schrie sie vor Schmerz auf, aber sie spürte, wie die abgebrochene Feder ihrer Drehung folgte, bis sie schließlich auf dem Bauch lag.
Hinde setzte sich rittlings auf ihre Beine und fesselte ihre Hände mit den Nylonstrümpfen auf den Rücken. Es schien, als hätte er sein Tempo ein wenig gedrosselt, jetzt, wo sie so dalag, bereit für die nächste Phase. Er stand auf und stellte sich ans Ende des Bettes. Dann nahm er ihren linken Fuß und spreizte ihr Bein nach außen, ehe er den Fuß mit einem weiteren Nylonstrumpf am Bettgestell festband. Anschließend fesselte er auch ihren rechten Fuß an das Bett, ehe er den Kabelbinder durchschnitt. Mit seiner Arbeit zufrieden, ging er zum Karton. Sie konnte sehen, wie er sich hinabbeugte und die einzelnen Verpackungen der Reihe nach herausnahm. Sie erkannte die Gegenstände wieder. Der Proviant.
Hinde verließ das Zimmer mit den Waren in der Hand. Er musste einen kleinen, abschließbaren Raum finden.
Mit ihren gefesselten Händen schob Vanja mühsam das Nachthemd nach oben, um die kleine Feder zu fassen zu bekommen, die sie nur schwer erreichen konnte.
Sie hoffte, dass Hinde eine Weile weg sein würde. Sie brauchte Zeit.
Der Kiesweg, auf dem er sich befand, war offenbar wenig befahren und daher ziemlich zugewachsen. Er schlängelte sich durch den Wald, der nach einer Weile von offenen Wiesen auf beiden Seiten abgelöst wurde. Ein Stück entfernt erkannte er etwas, das ein Haus sein konnte. Die Scheinwerfer erleuchteten die langen Halme vor der Windschutzscheibe, und es sah aus, als würde er durch ein Meer von trockenem gelbem Gras fahren. Das Licht wurde reflektiert und blendete ihn, er konnte nur dunkle Umrisse von dem Haus erkennen.
Schon bald kam er zu einem Zaun, der offenbar so etwas wie einen provisorischen Wendehammer darstellte. Er hielt an, stellte den Motor ab, stieg aus und wartete kurz, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Dann nahm er das Haus genau in Augenschein. Es sah vollkommen verlassen aus, und innen schien kein Licht zu sein.
Vorsichtig kletterte er über den Zaun. Das Gebäude, das sich vor dem Nachthimmel auftürmte, trat immer deutlicher hervor. Es war etwa hundert Meter entfernt und wirkte groß, aber keinesfalls einladend. Der Mond warf einen bläulichen Schein auf die Dachpfannen und die Fassade, und nach einer Weile konnte Sebastian die dunklen Fensteröffnungen erkennen. Er ging darauf zu. In einigen Fenstern erkannte er den schwach flackernden Schein von Kerzen. Es war, als nähme das Schwarze dort drinnen hier und da einen orangefarbenen Ton an, als bewegten sich unmerkliche Schatten über Fensterrahmen und Wände. Jetzt wusste er, dass er richtig war.
Er setzte seinen Weg fort.
Das hohe Gras raschelte mit jedem Schritt, den er auf sein Schicksal zuging.
Im besten Fall würde er sein Leben gegen ihres eintauschen können. Im schlimmsten Fall würden ihrer beider Leben in dieser Nacht enden.
Vanja war es gelungen, das Nachthemd nach oben zu ziehen und ihren Rücken so weit nach hinten zu biegen, dass sie mit ihren gefesselten Händen zwischen ihre Beine greifen konnte und die Feder erneut zu fassen bekam. Sie versteckte sie in ihrer rechten Faust. Allerdings konnte sie die Nylonstrümpfe nur anritzen, wenn Hinde nicht im Zimmer war, und das war er viel zu selten. Vor einer Weile war er kurz hinausgegangen, um Kerzen anzuzünden. Ansonsten hielt er sich bei ihr auf. Er schien auf jemanden zu warten. Es schien, als wäre das Ritual, auf das er bisher so großen Wert gelegt hatte, mit einem Mal nebensächlich geworden. Die meiste Zeit ging er abwartend auf und ab.
Vanja hatte das Gefühl, dass sie nicht länger die Hauptperson war. Offenbar lag sie hier aus einem anderen Grund, als sie zunächst gedacht hatte. Damit konnte sie gut leben. Sie spürte das spitze Ende der Feder an ihrer Handfläche und wartete nur darauf, dass Hinde endlich verschwand, damit sie sich um die Nylonstrümpfe kümmern konnte. Bisher konnte sie noch keinen Fortschritt feststellen. Ihre Hände waren noch genauso stramm gefesselt, und obendrein wurden sie durch die begrenzte Blutzufuhr allmählich kalt. Am meisten beunruhigte sie
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