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Die Frequenzen

Die Frequenzen

Titel: Die Frequenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens J. Setz
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Schwester interessiert.
    – Ja.
    – Na da schau her! Du Hetero!, lachte Mirja und klatschte in die Hände. Passt gar nicht zu dir, aber steht dir gut, das kann ich dir versichern.
    – Danke.
    – Habt ihr euch geprügelt?
    Walter machte nur einen bescheidenen Gesichtsausdruck, so wie ihn Männer machen, die auf ihr Vermögen angesprochen werden. Aber er spürte, wie seine Hände vor Scham heiß und fleckig wurden. Er verschränkte sie vor der Brust.
    – Walter!
    Sein Vater kam auf die Terrasse und breitete die Arme aus, ließ sie aber gleich wieder sinken. Ein unfertiger Flugversuch.
    – Hallo, sagte Walter.
    – Wie’s scheint, solltest du deinen Kalender neu aufziehen, sagte sein Vater fröhlich. Er geht zwei Monate vor. Wir haben dich nicht vor Weihnachten erwartet.
    – Ja, sagte Walter und drückte die dargebotene Hand seines Vaters, die sich überraschend gut anfühlte. Ich hab mir gedacht, ich besuche euch einfach mal. Kennst du das, plötzliche Sehnsucht?
    Der vorausberechnete Satz traf ins Schwarze, genau wie erwartet.
    – Kenn ich, sagte sein Vater mit einem begeisterten Nicken. Ich habe schließlich den Alrauer Sendeturm entworfen, damals, 98. Wenn diese gedehnte Deltoid-Struktur nicht
Sehnsucht
ausdrückt, dann weiß ich auch nicht, haha.
    Der alte Mann legte sich beide Hände auf die Schultern, obwohl es nicht besonders kühl im Garten war. Der herbstliche Wind war auf eine für Stadtränder typische Art milde und versöhnlich. Mirja schaute Walter wissend von der Seite an.
Unser kleines Geheimnis
, sagte ihr Blick.
Frauengeschichte
    Sie aßen gemeinsam zu Abend. Sein Vater fragte ihn, was er so mache.
Schauspieljob? Großartig. Wo denn? Oh, sehr exotisch. Gut bezahlt? Toll, toll
. Dann erzählte er Walter lang und breit von seinem neuesten Projekt. In Graz würden drei bis vier eigens von ihm entworfene Litfaßsäulen aufgestellt, die man durch eine kleine Luke betreten konnte. Drinnen, im Innenraum, könnte man sogar Platz nehmen. Großartig, oder?
    – Ja, sagte Walter.
    Da er die Augen nicht verdrehen konnte, weil es sein Vater hätte sehen können, verdrehte Walter die Zunge. Aber es war nicht dasselbe.
    – Hast du gerade die Augen verdreht?, fragte sein Vater belustigt.
    – Nein, natürlich nicht. Mir gefällt deine Idee. Ist schön frisch.
    – Ja, nicht? Frisch, das stimmt. Dieses Wort wäre mir nicht eingefallen, aber es trifft die Sache auf den Kopf.
    – Auf den Kopf, aha.
    Jetzt verdrehte er wirklich die Augen. Sein Vater lachte.
    – Du kleiner Wirrkopf, sagte er und boxte seinen Sohn auf den Oberarm.
    Als Walter später noch in seinem Zimmer auf und ab ging, bemerkte er, dass die Vorhänge nicht mehr die waren, die bei seinem letzten Besuch vor den Fenstern gehangen waren. Missmutig zupfte er an den neuen Vorhängen. Sie fühlten sich an wie die plastikharten Kittel, die man in Krankenhäusern anziehen musste. Die Straße vor dem Haus war still. Unten schliefen alle. Die Stunde war so reglos wie die Fasane in ihrem Gartenverschlag, die von Langstreckenflügen über den Himalaja träumten.
    Walter legte sich in sein altes Bett, das ihn mit einem beunruhigenden Knacken in seinen Eingeweiden begrüßte. Als er sich zur Seite drehte, sank die Matratze mehrere Zentimeter ab. Zum Spaß sagte er ein kleines Nachtgebet auf.
    Er träumte von der Busfahrt vom Bahnhof hierher, auf dem Platz neben ihm saß eine kleine, goldene Glühbirne, die mit einer dünnen Stimme zu ihm sprach.
    –
Sinwir
, sagte die Glühbirne.
    Der Bus rüttelte und schaukelte. Die Schirmkappe des Fahrers, die zugleich irgendwie auch eine schwebende Aubergine war, leuchtete im vorderen Teil des Busses. Aber ob dazu auch ein Körper gehörte, ließ sich nicht genau sagen.
    –
Sinwir nischtalle?
, fragte die Glühbirne.
    Walter fand, dass es besser war, ihr zuzustimmen.
    Als er aufwachte, merkte er, dass es noch sehr früh war. Er fror. Die Heizung wurde jeden Morgen um Punkt sechs automatisch aktiviert. Er blickte aus dem Fenster. Die Welt war ein verregneter Schwarzweißfilm.
    Da war plötzlich die glänzende Formulierung wieder, die ihm im Zug entfallen war. Er wiederholte den Satz leise für sich. Aber er war gar nicht so gut, wie er gedacht hatte. Er war sogar völlig banal. War es überhaupt dieser Satz gewesen? Er versuchte den Satz zu verdrängen. Zur Strafe geisterte er ihm mehrere Stunden im Kopf herum.
    Was bin ich für ein elender Feigling, dachte er.

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    Ah, die vorletzte Woche! Ich bin nervös und

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