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Die Früchte der Unsterblichkeit

Die Früchte der Unsterblichkeit

Titel: Die Früchte der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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keine, die man von einem Motor erwarten würde. Stattdessen fauchte, hustete und brüllte er, gab ohrenbetäubende Donnergeräusche von sich, sodass man sich schon anschreien musste, wenn man sich unterhalten wollte. Also schwieg ich und Raphael nutzte die Fahrt für ein Nickerchen. Wenn ein müder Gestaltwandler sich ausruhen musste, dann konnte man neben ihm Kanonen abfeuern, ohne dass er das überhaupt zur Kenntnis nahm.
    Ein paar Minuten später fuhren wir bei mir zu Hause vor. Raphael folgte mir die Treppe hinauf, die vom fahlen blauen Licht der Feenlampen erhellt war, und schlenderte in mein Wohnzimmer. Während ich die Tür zu dem Zimmer öffnete, das ich als Kleiderkammer nutzte, hörte ich, wie Raphael laut die Luft durch die Nase sog.
    Als ich aufschaute, hatte ich
das Dingsda
im Blick. Er hatte es mir im Wohnzimmer hinterlassen, doch da ich ständig dagegengelaufen war, hatte ich es schließlich hier in die Kammer vor das vergitterte Fenster gehängt. Mit einer Höhe von eins achtzig reichte
das Dingsda
von der Decke bis fast auf den Boden. Es war eine kronleuchterähnliche Drahtkonstruktion, die sich sacht um die eigene Achse drehte. Von dünnen Messingdrähten, die wie Äste geformt waren, hingen glänzende Glasornamente an Goldkettchen. Die Ornamente enthielten Tangas.
    »Du hast es behalten«, sagte er leise.
    Ich zuckte die Achseln. Ehrlich gesagt hatte ich nicht damit gerechnet, welche Wirkung es auf ihn haben würde. Eine grobe Fehleinschätzung meinerseits. »Muss ich wenigstens nicht immer in meiner Schublade nach Unterwäsche wühlen.«
    Er riss die Augen auf. »Trägst du gerade einen?«
    »Hey, lass deine Gedanken gefälligst aus meiner Hose!«, befahl ich ihm. »Noch so eine Übertretung und ich bleibe zu Hause.«
    Daraufhin hielt er den Mund. Ich schnappte mir einen blauen Matchbeutel und suchte meine Sachen zusammen. Mein Kulturbeutel: Zahnbürste, Zahnpasta, Bürste, Deo. Armbrustbolzen, sorgfältig gebündelt, die Jagdspitzen in weicher Wolle sicher in einem Kistchen verpackt. Sharpshooter IV , eine schöne leichte Armbrust. Ich zog die Schublade der Frisierkommode auf und nahm mir ein paar Magazine Silver Point mit.
    »Du bist die einzige Frau, die ich kenne, die ihre Munition in einer Frisierkommode aufbewahrt«, sagte er.
    »Ich nutze den Raum halt als Depot.«
    »In der anderen Frisierkommode sind auch Kugeln«, sagte er.
    Das war wohl unvermeidlich. Schließlich war er ein Mann, ein Bouda und hatte sich Zugang zu meiner Wohnung verschafft. Wie hätte er da nicht in die Schubladen meiner Frisierkommoden gucken können? Wenigstens hatte er nicht mit dickem rotem Edding RAPHAEL WAR HIER darauf geschrieben.
    »Ich bin eben gerne vorbereitet. Ich möchte ungern nachts aufwachen, mein Magazin in einen verrückten Gestaltwandler leeren, der in meiner Wohnung sein Unwesen treibt, und dann nach Patronen suchen müssen.«
    Raphael verzog das Gesicht.
    Wenn er wüsste, dass ich ihm über
das Dingsda
nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte, würde er jetzt nicht so säuerlich gucken. Dann würde er wie ein Honigkuchenpferd von einem Ohr zum anderen grinsen. So ganz genau wusste ich allerdings selbst nicht, warum ich es behalten hatte, außer, dass es ihn Stunden gekostet haben musste, es zu basteln, und es beinahe schon an göttergleiche Ninja-Qualitäten grenzte, dem strengen Sicherheitsnetz der Midnight Games zu entschlüpfen. All diese Mühe hatte er sich nur meinetwegen gemacht. Da konnte ich das nicht so einfach wegwerfen.
    Nachdem ich meine Tasche hinlänglich mit Vernichtungswaffen beladen hatte, ging ich ins Schlafzimmer. Als Raphael mir zu folgen versuchte, schlug ich ihm die Tür vor der Nase zu. Beim Unterwäschepacken musste er mir ja nun nicht gerade zusehen.
    Ich nahm mir Wechselwäsche aus dem Schrank und hielt inne. Ich war völlig verdreckt. Widerlich verdreckt. Entweder musste ich bei Raphael duschen oder hier, wo ich meine Seife und mein Shampoo hatte. Mit Wechselwäsche und Schusswaffe bewaffnet trat ich aus der Tür. »Ich dusch noch mal kurz. Komm ja nicht ins Badezimmer.«
    »Okay.«
    Ich verschwand im Bad, und als ich den kleinen Riegel vorschob, hörte ich, wie Raphael sich daneben an die Wand lehnte. »Ich habe dich schon nackt gesehen, das weißt du doch«, sagte er. »Zweimal.«
    »Nahtoderfahrungen zählen nicht«, sagte ich und zog mir die Klamotten aus, wobei ich versuchte, die Erinnerung daran, wie Raphael mich in den Armen gehalten und mir sanft Durchhalteparolen

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