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Die Frühstücksfreundin

Die Frühstücksfreundin

Titel: Die Frühstücksfreundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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wie der Name zu ihr paßt. Absichtslos, die Einstimmung, von der er sich Erfolg versprach — genau die hatte er nicht. Seine Absichtslosigkeit war verbissene Absicht, von der Art, wie sie Zivilisationsmenschen unbeabsichtigt produzieren, wenn sie sich in Entspannungspraktiken versuchen. Wenige Sätze gibt es, die Weichen stellen können im Leben — der von Sidonie scheint dazu angetan. Die erste Frau, die sich ihm verbal nähert.
    Mittagspause. ,
    Ratlosigkeit gegenüber Fahrkartenautomaten, Entwerten von Fahrkarten aus Fahrkartenautomaten, Zuschlagsgrenzen, Zusammenzucken bei Lautsprecherdurchsage von Stationsnamen und mangelnder fester Stand mit einer Hand am Griff entlarven Robert in dem öffentlichen Verkehrsmittel als Autofahrer. So unklug, die Parklücke für den Botengang zu Karls Freundin aufzugeben, war er nicht. Bei aller Zuverlässigkeit. Ein neuer Aspekt gewinnt Boden: Karl, der Freund — vertritt er nicht genau jenes Mittelmaß, das Schauwerte sammelt? Hübsche Frau, hübsches Haus, hübsche Freundin. Antiquitäten zusammengekauft und dem unverbindlichen Arrangement eines amusischen Innenarchitekten überläßt? Wenn er daneben an Franziskas liebevolle Einrichtung denkt. Der Refektoriumstisch in der Eßecke, vergnügte Vorhänge, die Bar im Bauernschrank — Karl nachgemacht, eingestandenermaßen. Aber ungleich zierlicher, nicht Eiche. Mit gesundem Sinn für das Mögliche hält sie Roberts Qualitätsbedürfnis anmutig in Grenzen. Das Herz muß einem aufgehen vor Gemütlichkeit, nicht der Mund vor Staunen über den Aufwand.
    Wie mag Sidonie wohnen?
    Fast hätte Robert die Station verpaßt. Den Fuß der automatischen Tür entgegengestellt, kann er sich gerade noch hinausquetschen, löst in der Drehung die Blockade, holt das Bein ein, da zieht das öffentliche Verkehrsmittel an, der Schuh bleibt drin. Der Schuh, der sündteure, mit dem er vor einem Jahr erst einen Qualitätsanfall abgefangen hat.
    Hurtig gleitet das Auge durch das Reklamegestrüpp, ein Schuhgeschäft suchend. Da. Der Schriftzug verbürgt Solides, nichts Exquisites. Keiner der Passanten scheint das auch akustisch ungleiche Fußpaar zu bemerken, den Beige-wolligen, der sich mit dem Braunglänzenden in der Führung ablöst. Großstadtmenschen sind verkapselt, wittern Fahrzeuge, nicht des Nächsten Not. Doch Lob der Zivilisation: Es ist durchgehend geöffnet, Größe 43 vorrätig, preiswert, strapazierfähig. Neuwertig knarzt er zur Bäckerei, den Einschuh im Frischhaltebeutel. Was so anfängt, soll nicht sein. Hat er es nicht gewußt?
    Nahezu ungefiltert beherrscht der angrenzende Laden das Treppenhaus. Buttercreme, Schokolade, Marzipan, Kandiertes dräuen wie schweres Zigarrengewölk, den Gewerbebetrieb als kombinierte Bäckerei & Konditorei ausweisend. Auf den Stufen wird Roberts knarzende Neuerwerbung gleichsam um einen Chor verstärkt, in dem bis zum ersten Stock Baß, bis zum zweiten Tenor die Führungsstimme stellen. An den Biegungen entsteht bisweilen Rezitativcharakter.
    Die linke Tür, hat Karl gesagt. Im blechernen Wechselrahmen für den Namen steht zwar einer, doch macht ihn die Tageslichtzuteilung des Jahrhundertwendebaues zwecklos, weil sie Robert auch keinen Lichtknopf finden läßt, immerhin aber die Klingel.
    »Charlie?« fragt ein Sopran.
    »Ein Freund von ihm«, antwortet sein Bariton. »Mit einer Nachricht.«
    Schritte, Schlüssel und Türklinke geben eine rhythmische Einlage, bis der Sopran wieder einfällt:
    »Ach Sie sind das! Was is’n los?«
    Heller ist es geworden, Konturen stehen scharf im Gegenlicht, Konturen, die Robert an eine blöde Formulierung aus der Firma denken lassen: Wie sagen die Kantinen-Don-Juane immer? Eine Figur für Fingerübungen.
    »Kann ich einen Moment reinkommen?« hilft er ihrer Unbeholfenheit weiter. Was er ihr zu sagen hat, paßt besser hinter geschlossene Tür, zumal Karl ihn vor möglicher Aggressivität gewarnt hat. Träge wie das Mädchen vor ihm dreht sich eine Langspielplatte, schleppt Geräusche an gegen die Unfähigkeit, allein zu sein; Robert spricht seine Rolle dagegen, ohne Umschweife. Das Zimmer ist hell und aufgeräumt. Viel Schrankwand, viel Bett. Eine Wohnlandschaft mit Komfortelementen aus dem Versandhauskatalog. Und Flausch, allerorten Flausch, ein Stofftier. Hier läßt sich’s liegen, mit Tür zum Bad. Aber wo bleibt der jugendliche Wutanfall, das handgreifliche Hadern mit dem zu leichten Schicksal?
    Kuhäugig hört sie ihm zu, trägt Mähne, enge, lange Hosen, ein

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