Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)
gesamte Korallenriff schien sich zu verwandeln.
Bald war das Menschenpaar umgeben von einem riesigen Schwarm verschieden geformter
Wesen, die dem Sonnenlicht entgegenstrebten. Serail sah spiralförmige Fische,
die sich durch das Wasser schraubten, Stachelwürmer und Gebilde wie fliegende
Teppiche. Quallen aus fließendem Metall rotierten in die Höhe, Unterwasservögel
überholten mit ihren Flügelschlägen eine Gruppe Schalentiere, die nach dem
Rückstoßprinzip voranruckten. Als Serail die Oberfläche durchbrach, erhoben
sich die ersten Gestaltwandler bereits in die Luft und strömten auf das Shuttle
zu. Während die Geschöpfe in Richtung der Maschine flogen, warfen sie
Körpermasse ab, um für die Nachfolgenden Platz zu schaffen. Eine Wolke winziger
Gestaltwandler drängte durch die Tür des Shuttles, und von allen Seiten
strömten weitere hinterher.
„Was ist passiert?“, fragte
Serail, sowie sein Kopf über Wasser war. „Das sieht aus wie eine Invasion.“
„Alles ist Bestens“, entgegnete
Caravan. „Viel besser, als ich gehofft hatte. Ich erkläre es dir, wenn wir an
Bord sind. Lazarus ist im Shuttle ganz allein mit einem Schwarm Aliens und
dürfte ungeduldig auf uns warten.“ Er machte sich von Serail los und sprang mit
einem Delphinflossenschlag an Bord. Oben angekommen ließ er für seinen
Getrauten den Liftkran herunter und verschwand im Inneren des Fliegers.
Als Serail an Deck trat, hatte
sich die linke Hälfte des Shuttles fast vollständig mit einer Masse aus
winzigen Körpern gefüllt. Lazarus lehnte steif an der rechten Wand. Er hatte so
viel Abstand wie möglich zwischen sich und den Alienschwarm gebracht und redete
auf Dschinn ein, die in ihrem weißen Kleid genau zwischen den beiden Parteien
stand. Serail hörte den Ex-Kapitän sagen: „Sie haben von ein paar Dutzend
gesprochen. Würden Sie mir erklären, wieso mein Shuttle von der kompletten
Bevölkerung Archensees überrannt wird? Ich habe es satt, von Ihnen
Halbwahrheiten zu hören.“
Dschinn hob beschwichtigend die
Hände. „Ich hatte nicht vor, Sie anzulügen. Mich hat die Entwicklung genauso
überrascht wie Sie. Bitte, lassen Sie es mich in Ruhe erklären.“ Sie nickte in
Richtung des Ecksofas.
Lazarus warf einen Blick auf die
noch immer durch die Tür strömenden Gestaltwandler, hob missmutig die Schultern
und setzte sich. Die beiden Getrauten folgten und ließen sich zusammen auf dem
anderen Teil der Couch nieder.
Dschinn schaute einen Moment
überlegend an die Decke, um sich zu sammeln. Die Erklärung würde bestimmt nicht
einfach werden. Dann sagte sie: „Es gab zwei gute Gründe, warum ich dachte, wir
würden nicht viel Unterstützung bekommen. Erstens die langsame Nachrichtenübermittlung
und zweitens die Tatsache, dass es einem Ahnen normalerweise egal ist, was mit
seine ‘Volk’ passiert. Ich bin nicht auf die Idee gekommen, dass Caravans Einfluss
daran etwas ändern könnte.“
„Etwas präziser, bitte“, forderte
Lazarus gereizt.
„In dem Moment, als ein Ahne die
Kernzellen aufnahm, die ich ausgeschickt hatte, begann er zu denken wie
Caravan. Er besaß plötzlich den menschlichen Instinkt, die eigene Spezies zu beschützen.“
Dschinn lehnte den Kopf zurück an die Couch und schloss halb die Augen. „Als er
erfuhr, dass man seine Leute foltert, beschloss er sich zu opfern, damit es
aufhört. Er beging Selbstmord.“
Serail hatte sich auf dem Sofa
ausgestreckt und den Kopf in ihren Schoß gelegt. Jetzt nahm er ihre Hand und
hielt sie fürsorglich umfasst. „Es war seine eigene Entscheidung. Du hast
keinen Grund dich schuldig zu fühlen. Warum hat er das getan?“
„Um die Nachricht schneller zu
verbreiten. Anstatt nur einen einzigen Leuchtfisch weiterzuschicken, hat er
Caravans Botschaft so oft kopiert, wie er nur konnte. Er hat seine Kernzellen
dafür verbraucht, die Informationen auszusenden, bis er selbst keine mehr übrig
hatte. Normalerweise funktioniert unsere Fortpflanzung auf diese Weise. Der
Ahne lässt sich in Stücke zerfallen und hört auf zu existieren. Die Einzelteile
beginnen dann ihr eigenes Leben. Aber in diesem Fall hat sich der Ahne
aufgestückelt, um Kopien von Caravans Erinnerungen herzustellen und in alle
Richtungen zu versenden.“
„Deshalb die Kettenreaktion“,
murmelte Serail. „Wer Caravans Gedanken empfing, hatte sofort ebenfalls das
Bedürfnis, sein Volk zu beschützen. Entweder er kam hierher zum Shuttle, um an
unserer Seite zu kämpfen – oder er ließ sich in
Weitere Kostenlose Bücher