Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)
Anzug unter Wasser
sank. Caravan wartete einige Meter tiefer. Er sah fast menschlich aus, nur
seine Bewegungen waren fließender und der Körper mit weichen Schuppen überzogen,
die eine metallische Farbe hatten. Man sah ihm an, dass er es genoss, wieder im
Ozean zu sein. Er war ständig in Bewegung, glitt wie ein Seehund durch das Blau
und zog Kurven um seinen Getrauten. Endlich hielt er einen Moment still,
schwebte senkrecht vor Serail und fragte: „Kannst du mich verstehen?“
Die Stimme klang dumpf und
verzerrt, aber es war schon seltsam genug, dass Dschinn hier unten überhaupt
sprechen konnte. Der Wandler hatte Serail gebeten, keinen Helm zu tragen,
sondern nur Tauchbrille und Atemmaske, damit die Schallwellen ihn erreichen konnten.
Serail machte eine vage Handbewegung, die bedeutete: ‚Mittelmäßig.’
„Sag Stopp, wenn ich normal
klinge. Soundcheck, Soundcheck. Eins, zwei drei, vier …“
Serail schnitt die Hand durchs
Wasser und nickte.
„Gut, dann werden wir jetzt Seite
an Seite weiterschwimmen. Siehst du die große weiß-rote Säule dort hinten? Die
Atemlöcher sind so angeordnet, dass sie mathematische Reihen ergeben. Aus
Eitelkeit, nehme ich an. Auf jeden Fall handelt es sich nicht um eine natürlich
gewachsene Koralle, sondern um einen Ahnen. Mit ihm werde ich anfangen.“
Serail breitete ergeben die Hände
aus, und seine Geste besagte: ‚Tu, was du willst. Ich kann dich ja doch nicht
davon abhalten.’
Sein Getrauter lächelte. „Würdest
du bitte das Atemgerät kurz rausnehmen?“ Als Serail gehorchte, küsste er ihn
energisch auf die Lippen. Dann steckte er das Mundstück zurück. „Danke.“
„Hmpf“, brummte Serail an dem
Plastikpropfen vorbei. Sein Getrauter lachte, drehte sich herum und verwandelte
seine Beine in eine Schwanzflosse. Mit eleganten Seehundbewegungen schwamm er
davon. Serail beeilte sich hinterher zu kommen.
Sie tauchten bis zehn Meter an die
Säule heran und ließen sich dort in die Tiefe sinken. Als sie den Meeresgrund
erreicht hatten, verankerte sich Serail, um von der Strömung nicht fortgetrieben
zu werden. Er hakte seine Tauchflossen in die Äste eines Miniaturbaums mit kristallähnlichen
Zweigen. Serail nahm an, dass es sich um ein Tier handelte, da es auf Archensee
keine Pflanzen gab, aber zumindest war das Wesen festgewachsen und rührte sich
nicht.
Caravan hatte gewartet, bis er fertig
war. Dann sagte er: „Es ist soweit.“
Serail nickte grimmig.
„Ich werde hoffentlich bald zurück
sein. Wenn nicht …“
Serail packte ihn am Handgelenk
und zog ihn zu sich heran. Seine Miene besagte: ‚Daran solltest du nicht einmal
denken!’ Er schlang seine Arme um Caravan und fühlte kühle Schuppenhaut über seine
Wange streifen.
„Wenn aber nicht“, murmelte sein
Getrauter, „dann wird der Rest von mir dir auf die Arche folgen. Wie ein treuer
Hund oder ein zahmer Falke. Ich liebe dich.“
Serail konnte spüren, wie sich der
Körper in seinen Armen verwandelte. Er hatte die Augen geschlossen, um den
Abschied nicht mit anzusehen. Dschinns Menschlichkeit verschwand, als der
Wandler die Erinnerungen der letzten Monate aus sich herauszog. Die Gestalt
wurde kleiner und schmaler, sie begann sich unruhig zu bewegen. Serail zwang
sich, die Augen zu öffnen und seinen Griff etwas zu lockern.
Das Wesen, das er hielt, war nicht
allzu fremd. Es trug noch immer dasselbe Schuppenkleid und ähnelte entfernt
einem Seehund. Dschinn hatte für einen gleitenden Übergang gesorgt, um Serail
auf den Wandel vorzubereiten. Über die Schulter des Tieres hinweg sah er einen
einsamen Leuchtfisch davontrudeln.
Seine Muskeln verspannten sich,
und der Seehund grunzte empört, als Serail ihn zu fest an sich drückte. Er
strich mit einer Hand über die Schuppenhaut und suchte in Gedanken nach etwas
Beruhigendem. Da ihm auf die Schnelle nichts anderes einfiel, begann er ein
Wiegenlied in sein Atemgerät zu singen. Das Wesen schien sich tatsächlich zu
entspannen und drückte seine Schnauze an Serails Hals. Anstelle eines Mundes
hatte es eine Reihe waagerecht übereinander liegender Kiemenspalten, die sich
bis zur Stirn hinaufzogen. Sie öffneten und schlossen sich im Atemrhythmus, und
das Wesen benutzte sie, um Laute zu erzeugen. Nach einer Weile fing es an, die
Melodie mitzusummen.
Der Leuchtfisch schwebte unendlich
langsam auf die rot-weiße Säule zu. Jetzt geriet er in den leichten Strudel,
den die Wimpernhärchen erzeugten, und berührte die Außenhaut der Koralle. Er
wurde
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