Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)
eingesogen und verschwand.
Eine lange Minute geschah
überhaupt nichts. Serail hätte vor Nervosität fast aufgehört, den Seehund zu
streicheln, aber ein beleidigtes Schnauben an seinem Ohr erinnerte ihn an seine
Pflichten. Dann begann sich die Korallensäule in eine nebelige Wolke zu hüllen
... War das so geplant? Serail biss sich auf die Lippen. Vielleicht war etwas
schief gelaufen. Dschinn hatte ihn auf diesen dramatischen Effekt nicht
vorbereitet. Schon war der Atmende Turm ganz und gar von einem wirbelnden
Staubsturm umgeben. Man konnte die Form dahinter kaum noch erkennen.
Serail zuckte zusammen, als die
Säule plötzlich in einer lautlosen Explosion zerbarst. Er sah die Druckwelle
auf sich zukommen. Der Boden wurde ringförmig aufgerissen, und eine Front aus
Sand und Schlamm raste in seine Richtung. Noch bevor er reagieren konnte, wurde
er aus seiner Verankerung geschleudert. Er überschlug sich im Wasser, und der
Seehundkörper entglitt seinen Fingern. Wild schaute er sich um. Wo war das Tier
abgeblieben? Das Wasser war so aufgewühlt, dass man kaum zwei Meter weit sehen
konnte. Serail hätte am liebsten in seine Tauchmaske geheult. Wie sollte er in
dieser Schlammbrühe ein abtrünniges Alien finden? Er riss sich das Atemgerät
aus dem Mund und schrie “Dschinn!“ in den wirbelnden Sand hinein. „Dschiiiinn!“
Es klang wie ein dumpfes Jaulen. Er rief noch einmal, schluckte Wasser, würgte
und wäre fast erstickt, bevor er den Schlauch wieder an seinen Mund pressen
konnte.
Als der Hustanfall vorbei war,
fühlte er eine runde Schnauze an seinem Rücken.
Ihm wurde ganz schwindelig vor
Erleichterung. Er sammelte den Gestaltwandler ein und schloss ihn wieder in die
Arme. Das Tier schmiegte sich zufrieden an seine Brust und summte. Serail
grinste, als der Schock langsam nachließ und ihm das Absurde der Situation
bewusst wurde. Ein halb ertrunkener Matrose und ein glücklich trällernder
Außerirdischer – was für ein Paar. Er schwamm zu seinem ursprünglichen Platz
zurück (nicht ganz einfach mit einem massigen Seehundskörper im Arm) und
verhakte die Füße wieder im Kristallgeäst.
Zum ersten Mal nahm er sich die
Zeit umherzuschauen und die Veränderung zu bemerken, die im Ozean vor sich
ging. Das Wasser hatte begonnen sich zu klären, die gewaltige Korallensäule war
verschwunden. An ihrer Stelle trieb ein Schwarm von Leuchtfischen im Wasser.
Die Strömung hatte sie bereits ein gutes Stück weiter in den Säulenwald
schwimmen lassen. Fasziniert beobachtete Serail, wie sich unter den Atmenden
Türmen eine dramatische Kettenreaktion ausbreitete.
Die Leuchtfische erreichten ihr
Ziel und wurden aufgesogen. Die meisten Säulen reagierten, wie Dschinn es
vorhergesagt hatte, nahmen die Botschaft auf und schickten eine Kopie weiter.
Aber bei anderen hatte die Berührung einen viel extremeren Effekt: Sie verpufften
in einer Staubwolke, zerfielen zu Nichts, und nur ein Schwarm Lichtpunkte blieb
an ihrer Stelle zurück. Der Effekt breitete sich schnell zu allen Seiten aus.
So weit Serails Augen reichten, war das Meer erfüllt von glühenden Punkten und
explodierenden Säulen, ein grandioses Unterwasser-Feuerwerk.
Die neu erschaffenen Leuchtfische
ließen sich nicht mit der Strömung treiben wie gewöhnlich. Sie schienen einen
eigenen Willen zu haben und steuerten gezielt weitere Türme an, um die
Kettenreaktion zu beschleunigen. Jetzt kam eines der Lichtgeschöpfe auf Serail
zu. Er betrachtete es nervös und hoffte, dass es Dschinns Kernzellen waren, die
dem Auftrag gemäß zurückkehrten. Der Seehund in seinem Arm schien den
Leuchtfisch jedenfalls zu erkennen und reckte sich ihm entgegen. Das Lichtwesen
berührte seine Stirn, die Kernzellen drangen in die Haut ein und verschmolzen
mit Dschinns Fleisch ...
Caravans Stimme erklang an seinem
Ohr. „Hallo, Schatz, ich bin wieder zu Hause.“ Ein helles Lachen, und
gleichzeitig wurde seine Gestalt menschlich, das Gesicht gewann Konturen,
blondes Haar schwebte im Wasser. Er drehte sich in Serails Umarmung herum und
gab ihm einen Kuss auf die Nasenspitze. „Du kannst mich jetzt loslassen.“
Serail schüttelte stumm den Kopf
und begann nach oben zu treiben, ohne seinen Griff zu lockern.
„Dann eben nicht“, murmelte
Caravan und legte den Kopf an seine Schulter. Er schien zufrieden damit zu
sein, sich von seinem Getrauten tragen zu lassen. Eng verbunden schwebten sie
auf die Wasseroberfläche zu.
Unter ihnen breitete sich die
Kettenreaktion weiter aus, das
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