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Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Titel: Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Nolte
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Passagierstädten kaum Privatsphäre gab,
verbarg man sein Ich hinter Masken und Scheinpersönlichkeiten. Auch Randori
hatte sich diesem Brauch gefügt. Wenn sie schon keine Gilde besaß, hatte sie wenigstens
eine asiatische Persona, die ihrem Taufnamen entsprach. Als sie nun eine
diplomatische Antwort formulierte, griff sie auf die Ausdrucksweise der
Asia-Gilden zurück. „Ich bin demütig dankbar, Lazarus-Sama, aber dem Alter
gebührt der Vorzug vor der Jugend, wie Konfuzius lehrt. Daher bitte ich dich,
weiterhin von deiner erfahrenen Weisheit profitieren zu können. Auch wenn ich
den Kommandanten-Titel in Ergebenheit annehme, besteht kein Zweifel, dass dir
die Ehre gebührt, die Geschicke der Arche mitzulenken. Jeder an Bord sollte
wissen, dass unser geliebter Kapitän noch immer am Ruder ist.“
    Lazarus nickte gnädig, mit einem
amüsierten Gesichtsausdruck, und Randori fuhr fort: „Mit solcher Unterstützung kann
ich auch mein Amt als Erste Richterin noch einige Monate wahrnehmen. Wie meine
Crew sicher versteht, wäre es unverantwortlich, laufende Verfahren abzubrechen.
So nenne ich mich von heute an die Kapitänin dieses Schiffes, doch verneige
mich zugleich vor dem einzig wahren Kapitän. Möge unsere gemeinsame Arbeit dem
Schiff Glück bringen.“ Sie verbeugte sich schwungvoll vor Lazarus, der die
Geste erwiderte. Bei aller Rivalität konnten die beiden sich gut leiden und genossen
ihre kleinen Spielchen.
    „Nun gut“, sagte Randori
abschließend und wechselte abrupt zu einem nüchternen Befehlston. „Nachdem das
geklärt ist, schlage ich vor, dass jeder an seinen Posten geht. Wer sich für
die Planetenerkundung melden will, kann seine Signatur im Strom unter ‘Crew/Kolonie/Mission.1’
ablegen. Ich bitte die heutige Außenwache vorzutreten.“
    „Damit sind wir gemeint“, sagte
Caravan und boxte seinem gähnenden Getrauten in die Rippen.
    Serail nahm Haltung an.
„Tatsächlich? Wir haben heute Wache? Das hatte ich ganz vergessen.“
    Caravan grinste. „Übertriebener
Alkoholgenuss vernichtet die Gehirnzellen.“
    Sie schritten nach vorne und
salutierten vor der neuen Kapitänin. Sie musterte Serail interessiert von oben
bis unten. Er trug noch immer den durchsichtigen Pyjama, mit dem ihn sein
Getrauter aus dem Bett gezerrt hatte. „Ein bisschen underdressed, Schiffsmaat?“
    Serail wurde rot und schaute starr
an ihr vorbei auf die Wand. Als Randori sich umdrehte und ging – nicht ohne
noch einen längeren Blick über die Schulter zu werfen – murmelte er seinem
Getrauten zu: „Ich bringe dich um. Wenn die Wache vorbei ist, werde ich dich zu
Fastfood verarbeiten. Und hör auf zu lachen!“
     
    Sie begaben sich zu den zwei
gepolsterten Liegen, die für die Außenwache vorgesehen waren, und streckten
sich darauf aus. Dann blinzelten sie gleichzeitig und ließe sich in den Strom
fallen.
    Die Schiffsbrücke verschwand.
Plötzlich hingen sie schwerelos im Nichts, und um sie herum entfaltete sich das
lichtlose Weltall. Caravan konnte fühlen, wie die absolute Leere an seinen
Nerven zerrte.
    Der menschliche Geist war nicht
dazu geschaffen, die Größendimensionen des Universums zu ertragen. Man starrte
mit dem Maschinenblick der Außenwache in die Ferne, und in der schwarzen
Unendlichkeit brach das Ich langsam zusammen. Caravan konzentrierte sich auf
den Anblick der Arche, die ein paar Kilometer hinter seinem Rücken zu schweben
schien. Gleichzeitig registrierte er mechanisch und ohne Gefühl den Rest der
visuellen Daten, die durch sein Bewusstsein rasten und von den Wachhabenden nach
gefährlichen Kollisionsobjekten abgesucht werden mussten. Der Strom presste
eine Rundumsicht des Alls in sein Gehirn, in 360 Grad und 1,37 Lichtjahren
Entfernung entging kein Staubkorn seiner Aufmerksamkeit. Es war ein qualvoller
Zustand. Vergeblich bemühte er sich, nicht gegen das Unnatürliche dieser
Sinnesempfindungen anzukämpfen, die von den Außensensoren des Schiffes direkt
in seine Nervenbahnen geleitet wurden. Durch seinen Hinterkopf starrte er auf die
Arche 32, ein seltsames Metallgebilde, das sich wie ein verzweigtes, funkelndes
Kristall um die eigene Achse drehte.
    Das Schiff besaß schon lange nicht
mehr seine ursprüngliche Gestalt. Die Bevölkerung war schnell gewachsen, und so
hatte man den Lebensraum immer weiter vergrößert, mit jedem Sonnensystem, das
die nötigen Materialien liefern konnte. In der Schwerelosigkeit hatte man keine
Rücksicht auf aerodynamische Formen genommen, sondern angestückt,

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