Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)
der Ferne ein. „Ihr solltet versuchen, so viel wie möglich
über die Lichtgeschöpfe in Erfahrung zu bringen. Das ist bisher der einzige
Anhaltspunkt, den wir haben.“
„Ja, schon klar, das weiß ich
auch“, sagte Randori gereizt. „Aber trotzdem werden wir nichts überstürzen. Wir
wollen niemanden hier unten wütend machen.“
Die nächsten Stunden verbrachten sie
damit, in vorsichtigem Abstand hinter Leuchtfischen herzuschwimmen. Mit ihren
Helmkameras zeichneten sie jede Bewegung auf. Caravan schaute ihnen bei der
Arbeit zu, ohne sich noch einmal einzumischen. Da er keine Messgeräte hatte,
tauchte er ohne großes Interesse neben ihnen her und benahm sich völlig normal.
Bei der ersten Erholungspause an Bord erklärte er schulterzuckend, dass er sich
nicht erinnern konnte, warum er Randori angegriffen hatte.
Sie war nicht überzeugt, dass er
die Wahrheit sagte, aber ließ es auf sich beruhen. Es würde wenig nützen, ihn
zu drängen.
Inzwischen war sie bei Fisch
vierundsiebzig angelangt, und Randori stellte fest, dass ihr die Geduld für
biologische Feldforschung fehlte. Soweit sie sehen konnte, benahmen sich alle
genau gleich. Sie trieben mit der Strömung, benutzten ihre Flossen nur, wenn
sie in eine Sackgasse geraten waren, und ließen sich von einer Säule
verschlucken. Einige Sekunden, nachdem sie mit der Korallenoberfläche
verschmolzen waren, tauchten sie heil und unversehrt an einer anderen Stelle
wieder auf und setzten ihren Weg fort.
„Da drüben ist Fisch
fünfundsiebzig“, stellte sie fest. „Ein besonders hübsches Exemplar. Bestimmt
möchtest du ihn filmen, Serail?“
Er gab einen Brummton von sich und
wollte gerade dem Licht hinterher tauchen, als Caravan sich versteifte. Unruhig
drehte sich der Matrose um die eigene Achse und starrte hoch zur spiegelnden
Wasseroberfläche. „Oh, oh“, kommentierte Serail. „jetzt flippt er wieder aus.“
Caravans Kopf zuckte unruhig hin
und her, dann schoss er ruckartig auf seinen Getrauten zu und versuchte, ihn
mit Gewalt in Richtung der nächsten Säule zu ziehen.
„Lass den Quatsch!“ fuhr Serail
ihn an und schüttelte seine Hand ab. Caravan gestikulierte wild vor seinem
Gesicht.
„Vielleicht sollten wir tun, was
er will“, meinte Randori zögernd. „Er ist ziemlich aufgeregt, und schließlich
ist er unser Alien-Experte.“
Der Matrose sah sie zweifelnd an,
aber dann folgte er Caravan, der mit Höchstgeschwindigkeit nach unten paddelte.
Sie kamen zu dritt dicht über dem Grund bei einer Höhlenöffnung an, die sich im
aufgetürmten Felsgestein gebildet hatte. Caravan quetschte sich hinein, die
anderen schlossen sich ihm an.
Gleich darauf stießen sie schon
auf die Rückwand. Der Hohlraum war gerade groß genug, damit sie alle
hineinpassten. Es war nur eine gewöhnliche, runde Felshöhle.
„Ja, und jetzt?“, fragte Serail.
In diesem Moment verdunkelte sich
das Wasser, und ein riesiger Schatten strich über sie hinweg. Eine Druckwelle
wie von einem gewaltigen Flossenschlag presste ihre Körper gegeneinander.
„Was ... was war denn das?“ Serail
drückte sich gegen die Wand und schien darin verschwinden zu wollen.
„Caravan macht den Eindruck, als
wüsste er es“, sagte Randori mit neu erwachtem Misstrauen. „Dabei sollte er
eigentlich unter Gedächtnisverlust leiden, richtig?“
Eine zweite Druckwelle lief über
sie hinweg, und der Rückstrudel hätte Serail fast aus dem Versteck gerissen.
Ein gewaltiger Körper krachte gegen den Fels. Ein Kopf mit vielen spitzen
Zähnen war für Sekunden vor der Öffnung zu sehen. „Ich glaube, mir wird
schlecht“, ächzte Serail.
„Verlier jetzt bloß nicht die
Nerven!“ befahl Randori.
„Das ist ein toller Rat,
Kapitänin.“ Das Raubtier warf sich erneut gegen das Felgestein, und über ihnen
begann die Decke zu bröckeln. „Ein wirklich toller Rat.“
Jetzt folgte bebend Schlag auf
Schlag. Ein schuppiger Körper rieb sich an der Öffnung entlang, dann starrte
ein schmales gelbes Auge durch den Spalt. Das Lid klappte von der Seite her langsam
zu und wieder auf, als würde das Monster ihnen zublinzeln. Durch das Wasser
klangen tiefe, röchelnde Töne. Die Schallwellen reichten, um den Fels erbeben
zu lassen.
Serail hatte sich panisch
zusammengekauert. Er murmelte vor sich hin, während Gesteinsbrocken auf ihn
herabbröckelten. Ein spitzes Felsstück rammte direkt neben ihm in den Boden,
und Serail flüchtete mit einem Schrei aus der Höhle.
„Serail, nicht! Bleib hier,
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