Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)
du
Idiot!“ schrie Randori ihm hinterher. Sie wollte ihm instinktiv folgen, doch
wurde von Caravan gepackt und festgehalten.
Mit einer autoritären Handbewegung
befahl er ihr, in Deckung zu bleiben. Ihre Blicke trafen sich, und Randori
fühlte fast körperlich, wie sein Wille sie zurückschob. Einen Moment wollte sie
sich aus purem Stolz weigern, der Aufforderung zu gehorchen, dann nickte sie
und gab den Weg nach draußen frei. Caravan stieß sich von der Wand ab, um
Schwung zu holen, und schoss an ihr vorbei ins offene Wasser.
Randori näherte sich vorsichtig
dem Ausgang der Höhle und schaute hinaus. Durch die Öffnung konnte sie sehen,
wie Serail mit verzweifelten Flossenstößen vor dem Maul eines Ungeheuers
flüchtete. Es glich auf abstoßende Art einem gehäuteten Molch. Sein Körper war
milchig durchscheinend, so dass man die Adern und inneren Organe darin
pulsieren sehen konnte. Jetzt streckte es beinah nachlässig seinen Hals aus, um
Serail aus dem Wasser zu pflücken.
Caravan kam wieder ins Blickfeld.
Er bewegte sich mit einer unglaublichen Geschwindigkeit. Seine Gestalt schien
stromlinienförmig, und er schrie dem Ungeheuer einen schrillen, hohen Ton
entgegen, den Randori bis zu ihrem Versteck hören konnte. Das Raubtier drehte
sich verwirrt und etwas schwerfällig zur Seite, dem winzigen Angreifer
entgegen. Dann löste sich Caravan auf.
Eine schwarze, brodelnde Masse
breitete sich durch das Wasser aus, wo eben noch die Gestalt eines Menschen
gewesen war. Randori fühlte einen starken Sog und klammerte sich am Felsen
fest, um nicht in das plötzliche Vakuum hineingezogen zu werden. Die Masse
verfestigte sich, und das Meer wallte auf, als ein Alptraumgeschöpf aus dem
Nichts hervorwuchs. Randori erkannte im aufgewühlten Wasser einen Seeschlangenkörper
mit grünen Schuppen, die wie Messer zu allen Seiten ragten. Das Tier wurde
immer riesenhafter, und Randori dachte einen abergläubischen Moment lang an die
Vikingar-Gilde und die uralte Sage von der Midgardschlange, die mit ihrem
Körper die Weltkugel umspannt. Als das Wesen sich ganz aus dem Wasser herausgeschält
hatte, wirkte das erste Raubtier nur noch wie eine hilflose Beute. Ohne große
Anstrengung wand sich die Seeschlange um den milchigen Körper herum und drückte
zu. Die messerscharfen Schuppen drangen in das zuckende Fleisch, und dunkles
Blut quoll aus Hunderten von Schnitten. Der Kopf der Schlange stieß vor und
riss die Kehle des Molchs fast bis zur Bauchdecke auf. Mit grausamer
Gründlichkeit zerfetzte das Ungeheuer den gefangenen Körper in kleine Stücke,
die als blutige Masse auf den Meeresgrund sanken.
Randori hatte sich hinter der
schützenden Felswand zusammengekauert und versuchte sich zu erinnern, dass
dieses Horrorgeschöpf ein Mensch und ein Freund gewesen war und dass es auf
ihrer Seite stand ... vermutlich.
Als sich das Wasser langsam wieder
klärte, sah sie inmitten der Blutwolken Serails Körper reglos zwischen den
Korallensäulen treiben. Alle ihre Instinkte befahlen ihr, dem jungen Mann zur
Hilfe zu kommen, aber dennoch dauerte es mehrere lange Sekunden, bis sie sich
überwinden konnte, den Schutz der Höhle zu verlassen. Sie blickte starr
geradeaus, während sie auf ihn zuschwamm, und ignorierte den Kopf der
Seeschlange dicht neben ihr. Das starre Facettenauge, an dem sie vorbeitauchte,
war so groß war wie ihr ganzer Oberkörper. Das Tier regte sich nicht.
Es knackte in der Funkleitung, und
Lazarus Stimme klang übertrieben fröhlich durch das Mikrofon: „Na bitte, wir
hatten wohl gerade unseren Erstkontakt. Herzlichen Glückwunsch.“
Randori war erleichtert über die
Ablenkung. „Oh, vielen Dank“, gab sie sarkastisch zurück. „Wahrscheinlich werde
ich gleich von meinem ehemaligen Untermieter gefressen. Aber ich bin sicher, du
wirst einen ergreifenden Nachruf schreiben.“ Sie hatte Serail erreicht, griff
nach seinem Handgelenk und fühlte durch den dünnen Tauchanzug seinen Puls, der
kräftig und gleichmäßig schlug. An seinem rechten Bein hatte sich der Stoff
blutig verfärbt. Randori besaß wenig medizinische Kenntnisse, aber Serails
Zustand schien immerhin nicht lebensbedrohlich zu sein. „Was sagt die Ferndiagnose?“
„Moment, ich warte auf das
Ergebnis“, antwortete Lazarus sachlich. „ … Der Strom empfiehlt, dass du ihn
sofort hochbringst, auch wenn ihr dann Symptome von Taucherkrankheit riskiert.
Der Recycler ist schon dabei, einen Autodoc zu produzieren.“
„In Ordnung.“ Sie schwamm
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