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Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Titel: Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Nolte
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hinter
Serails Rücken, wie sie es bei den Rettungsübungen gelernt hatte. Gerade hatte
sie ihn mühsam in Position bugsiert, um ihn unter den Achseln zu fassen, da
spülte eine Druckwelle sie zur Seite und brachte sie dazu, sich umzudrehen.
Hinter ihr hatte sich das Wasser wieder zu einer undurchsichtigen Wolke verfärbt,
und die Konturen der Seeschlange zerfielen vor ihren Augen. Diesmal ging die
Verwandlung langsamer vonstatten, vielleicht aus Rücksicht auf ihre
wissenschaftliche Neugier. Eine menschliche Gestalt formte sich in der Mitte
des Wasserstrudels, verfestigte sich und schwamm auf sie zu.
    Das Bild war zu unwirklich, um
Angst auszulösen. Es dauerte eine Weile, bis Randori klar wurde, was an dieser
Erscheinung nicht stimmte: Caravan hatte kein Atemgerät mehr im Mund. Das
hinderte ihn nicht daran, ruhig und gleichmäßig Luft zu holen.
    Der nichtmenschliche Doppelgänger
schaute sie aus plötzlich älter gewordenen Augen an und löste behutsam ihre
Hände von Serails Tauchanzug. Er nahm seinen Getrauten in die Arme. Mit einer deutlichen
Handbewegung ließ er sie wissen, dass er allein zur Oberfläche schwimmen würde.
    „Lazarus?“, fragte sie verunsichert
ins Mikrofon. „Was soll ich tun?“
    Die Antwort kam zögernd. „Im
besten Fall will er dir nur die Taucherkrankheit ersparen. Er selbst hat
vermutlich keine Probleme damit, schnell aufzutauchen. Du musst selbst wissen,
ob du ihm genug traust, um die vorgeschriebene Zeit unter Wasser zu warten.“
    „Jedenfalls vertrödele ich keine
Viertelstunde hier, während du mit diesem Was-auch-immer allein bist. Ich werde
langsam und gleichmäßig hinterherkommen.“
    „Klingt gut.“
    Sie nickte Caravan deutlich zu. Er
wirkte erleichtert und legte die Fingerspitzen zu einer dankbaren
Handkuss-Geste an die Lippen. Dann tauchte er mit Serail nach oben. Lichtbündel
fielen gleißend durch die Wasseroberfläche und ließen die zwei verschlungenen
Körper in flirrendem Glanz erstrahlen. Randori folgte ihnen mit den Augen, und
als sich die Gestalten im Schimmer des Meeres verloren hatten, begann sie
vorsichtig ihren eigenen Aufstieg.
    Alle paar Meter schaute sie auf
die Taucheruhr, um zu entscheiden, welche Geschwindigkeit sie ihrem Körper
zumuten konnte. Eine frustrierend lange Zeit schien zu vergehen, bis sie die
Oberfläche durchbrach, aber der Autodoc war gerade erst dabei, den bewusstlosen
Serail mit einer Trageliege an Bord zu heben. Caravan trieb neben ihr, und sie
klappte das Visier ihres Helms auf, um mit ihm sprechen zu können.
    Mit vertrauter, ruhiger Stimme
sagte er: „Und, was jetzt, Kommandantin?“
    Randori räusperte sich. „Du hast
mich da unten ein bisschen aus der Fassung gebracht.“
    „Das ließ sich leider nicht
vermeiden.“
    Sie nickte, und eine längere Pause
entstand. „Vielen Dank, dass du uns das Leben gerettet hast.“
    „Es war mir ein Vergnügen.“ Er
lächelte. „Wirklich.“
    „Gibt es bei deinen Leuten ein
diplomatisches Protokoll für Erstkontakte?“ Ein Grübchen bildete sich in ihrem
Sommersprossengesicht. „ Unser Regelwerk empfiehlt, glaube ich, eine
gemeinsame Tasse Blautee in der Kapitänskabine.“
    Caravan schaute zum Flieger hoch,
der jetzt fremdes Territorium für ihn war. Nach kurzem Zögern nickte er. „Ich betrachte
das als offizielle Einladung.“ Er tauchte kurz ab und erhob sich gleich darauf
mit einer schnellen Bewegung aus den Wellen, sprang wie ein Delphin die drei
Meter zur Tür des Shuttles hinauf und landete federnd auf dem Boden.
    „Angeber“, murmelte Randori mit
einem schiefen Lächeln. Sie ließ sich etwas mühsamer vom Bordkran hochtragen.
Als sie an Deck ankam, stand Caravan in ein Handtuch gewickelt vor Serails
Krankenliege und der Kapitän in vorsichtigem Abstand daneben.
    „Eben hatte er noch Füße mit
Schwimmhäuten“, informierte Lazarus sie in neutralem Tonfall.
    „Ich schulde Ihnen wohl eine
Erklärung“, sagte Caravan. Er seufzte. „Am besten, bevor Serail aufwacht.“
    „Was ...?“ Randori runzelte die
Stirn. „Natürlich, Sie sind nicht wirklich sein Getrauter. Was ist mit dem
richtigen Caravan passiert?“
    Caravan ließ sich in einen der
Bordsessel fallen. „Ich habe ihn getötet.“
    Randori blinzelte verwirrt. Trotz
allem, was gerade geschehen war, hatte sie diese Antwort nicht erwartet. „Sie
haben ihn getötet?“, wiederholte sie ungläubig.
    „Wie soll ich das jemals vor ihm
rechtfertigen?“ Caravan starrte den bewusstlosen jungen Mann auf der

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