Die Fünfundvierzig
Lilien, die ihm als Türvorhang diente.
Henri hatte alles, was vorgefallen war, mit wachsender Wut gesehen, und dennoch war diese Wut so, daß sie an Vernichtung grenzte. Es war, als bliebe ihm nur Kraft genug, das Schicksal zu verfluchen, das ihm eine so grausame Prüfung auferlegt hatte. Er hatte sein Versteck verlassen und schickte sich, gelähmt, mit herabhängenden Armen und blicklosen Augen an, halb tot nach seiner Wohnung im Schloß zurückzukehren, als sich plötzlich der Türvorhang, hinter dem er Diana und den Prinzen hatte verschwinden sehen, wieder öffnete, die junge Frau in den Speisesaal stürzte und Remy, der unbeweglich dastand und nur ihre Rückkehr abzuwarten schien, mit den Worten: »Komm, komm, alles ist vorbei!« mit sich fortriß.
Und beide eilten wie trunken oder wahnsinnig in den Garten. Doch bei ihrem Anblick hatte Henri seine ganze Kraft wiedererlangt; er stürzte ihnen entgegen, und sie fanden ihn plötzlich mitten in der Allee, aufrecht, die Arme kreuzend und schrecklicher in seinem Schweigen, als es die furchtbarsten Drohworte hätten sein können. Henri war in der Tat zu jenem Grad von Verzweiflung gelangt, daß er jeden getötet hätte, dem es eingefallen wäre zu behaupten, die Frauen seien nicht Ungeheuer, von der Hölle abgesandt, um die Welt zu beschmutzen.
Er faßte Diana beim Arm und hielt sie so fest, trotz des Angstschreis, den sie ausstieß, trotz des Messers, das ihm Remy so scharf auf die Brust setzte, daß es sein Fleisch verletzte.
»Oh! Ihr erkennt mich ohne Zweifel nicht,« sagte er mit furchbarem Zähneknirschen, »ich bin jener Neuling,der Euch liebte, und dem Ihr nicht Liebe schenken wolltet, weil es für Euch keine Zukunft mehr, sondern nur eine Vergangenheit gab. Ah! schöne Heuchlerin, und du, feiger Lügner, ich kenne euch nun, ich kenne euch und verfluche euch; der einen sage ich: Ich verachte dich; dem andern: ich verabscheue dich.«
»Gebt Raum!« rief Remy mit erstickter Stimme, »gebt Raum, junger Narr ... oder ...«
»Es sei,« erwiderte Henri, »töte meinen elenden Leib, da du meine Seele getötet hast.«
»Still!« murmelte Remy wütend, während er seine Klinge immer mehr eindrückte, so daß man schon das Eisen in der Brust des jungen Mannes hörte.
Doch Diana stieß Remys Arm heftig zurück, faßte du Bouchage am Arm und stellte sich ihm starr gegenüber. Sie war leichenbleich; ihre schönen Haare hingen steif auf ihre Schultern herab; als sie mit ihrer Hand Henris Handgelenk berührte, durchdrang diesen eine Kälte, der einer Leiche ähnlich.
»Mein Herr,« sagte sie, »urteilt nicht vermessen über Gottes Dinge! ... ich bin Diana von Meridor, die Geliebte des Herrn von Bussy, den der Herzog von Anjou auf eine elende Weise töten ließ, als er ihn retten konnte. Vor acht Tagen hat Remy Aurilly, den Schuldgenossen des Prinzen, erdolcht, und den Prinzen habe ich soeben mit einer Frucht, mit einem Strauß und mit einem Lichte vergiftet. Platz! mein Herr, Platz für Diana von Meridor, die auf der Stelle in das Kloster der Hospitaliterinnen geht.«
Sie sprach es, ließ Henris Arm los und nahm wieder Remys, der auf sie wartete. Henri fiel auf die Knie und folgte mit den Augen der furchtbaren Gruppe der Mörder, die wie eine höllische Erscheinung in der Tiefe des Gebüsches verschwanden.
Erst eine Stunde nachher gelang es dem jungen Mann, den die Aufregung gelähmt, der Schreckenniedergeworfen hatte, während sein Kopf in Flammen stand, wieder so viel Kräfte zusammenzuraffen, daß er sich bis zu seiner Wohnung schleppen konnte; auch dabei mußte er wohl zehnmal von neuem ansetzen, bis er das Fenster erklettern konnte. Er machte ein paar Schritte im Zimmer, schwankte und fiel auf sein Bett. Im Schloß schlief alles.
Verhängnis.
Am andern Tag gegen neun Uhr streute eine schöne Sonne Gold über die sandigen Alleen von Chateau-Thierry, Zahlreiche, am Tage vorher bestellte Arbeiter hatten mit Tagesanbruch die Ausschmückung des Parkes und der für den Empfang des Königs bestimmten Gemächer begonnen. Nichts rührte sich noch in dem Pavillon, wo der Herzog ruhte, denn er hatte am Abend seinen zwei alten Dienern verboten ihn zu wecken. Sie sollten warten, bis er riefe.
Gegen neun Uhr sprengten zwei Kuriere mit verhängten Zügeln in die Stadt und verkündeten die nahe bevorstehende Ankunft Seiner Majestät. Die Schöppen, der Gouverneur und die Garnison stellten sich auf, um auf dem Weg, auf dem der Zug kommen sollte, Spalier zu machen.
Um zehn
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