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Die Fünfundvierzig

Titel: Die Fünfundvierzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Dumas d. Ä.
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trunken vor Freude; er umschloß gleichsam mit den Augen dieses wunderbare Geschöpf, das sich ihm gegenüber gesetzt hatte und die Gegenstände, die man vor ihm aufgestellt, kaum berührte. Von Zeit zu Zeit streckte sich Franz über der Tafel aus, um eine von den Händen seiner stummen, bleichen Tischgenossin zu küssen, die ebenso unempfindlich für diese Küsse zu sein schien, als wäre ihre Hand aus dem Alabaster gemeißelt, dessen Durchsichtigkeit und Weiße sie hatte.
    Immer wieder bebte Henri, fuhr mit der Hand an seine Stirn, wischte mit dieser Hand den eisigen Schweiß ab, der in Tropfen darauf stand, und fragte sich: »Lebt sie? Ist sie tot?«
    Der Herzog strengte alle seine Kräfte an und entwickelte seine ganze Beredsamkeit, um die ernste Stirn der Dame zu entrunzeln.
    Remy, der allein die beiden bediente, da der Herzog alle Diener entfernt hatte, schien von Zeit zu Zeit, mit dem Ellenbogen seine Gebieterin streifend, wenn er hinter ihr vorbeiging, sie durch diese Berührung wieder zu ermutigen und zum Leben oder vielmehr zu der Lage der Dinge zurückzurufen.
    Dann stieg eine dunkelrote Woge auf die Stirn der jungen Frau, ihre Augen schleuderten einen Blitz, sie lächelte, als hätte ein Zauberer eine unbekannte Federdieses sinnvollen Automaten berührt, und der Mechanismus der Augen den Blitz, der der Wangen die Färbung, der der Lippen das Lächeln bewirkt. Dann versank sie wieder in ihre Unbeweglichkeit.
    Der Prinz näherte sich indessen und fing an, durch seine leidenschaftlichen Reden seine schöne Eroberung zu erwärmen. Diana, die von Zeit zu Zeit nach der Prachtvollen, über dem Kopfe des Prinzen an der Wand hängenden Uhr schaute, schien sich sodann gegen sich selbst anzustrengen und nahm, das Lächeln auf ihren Lippen bewahrend, einen tätigeren Anteil am Gespräch.
    Unter dem Obdache des Blätterwerks zerriß sich Henri die Fäuste und verfluchte die ganze Schöpfung von den Frauen an, die Gott geschaffen, bis auf Gott, der ihn selbst geschaffen hatte. Es kam ihm ungeheuerlich, greuelhaft vor, daß diese reine und strenge Frau sich auf eine so gemeine Weise dem Prinzen hingab, weil er ein Prinz war, und der Liebe, weil sie in diesem Palast vergoldet erschien. Sein Abscheu gegen Remy war so groß, daß er ihm ohne Mitleid die Eingeweide geöffnet hätte, um zu, sehen, ob ein solche» Ungeheuer Blut und Herz eines Menschen habe. In diesem Taumel der Wut und Verachtung verging für Henri die Zeit dieses für den Herzog von Anjou so köstlichen Abendessens.
    Diana läutete. Erhitzt durch den Wein und die galanten Redensarten, stand der Prinz vom Tische auf, um Diana zu umarmen. Alles Blut stockte in Henris Adern. Er suchte an seiner Seite, ob er einen Degen, in seiner Brust, ob er einen Dolch hätte.
    Mit seltsamem Lächeln, das sicher noch nie seinesgleichen auf irgendeinem Gesichte gehabt hatte, hielt Diana den Prinzen zurück und sagte: »Monseigneur, erlaubt, daß ich, ehe ich vom Tische aufstehe, mit Euch diese Frucht teile, nach der mich gelüstet.« Bei diesen Worten streckte sie die Hand nach einem Körbchen von Goldfiligran aus, das zwanzig herrliche Pfirsiche enthielt, und nahm eine davon.Dann machte sie von ihrem Gürtel ein Messerchen los, dessen Klinge von Silber, dessen Heft von Malachit war, zerschnitt die Pfirsich in zwei Teile und bot einen davon dem Prinzen, der ihn ergriff und gierig damit nach seinen Lippen fuhr, als ob er Dianas Lippen küßte. Diese leidenschaftliche Handlung brachte einen solchen Eindruck auf ihn selbst hervor, daß eine Wolke sein Gesicht in dem Augenblick verdunkelte, wo er in die Frucht biß.
    Diana schaute ihm mit ihrem klaren Auge und ihrem unveränderlichen Lächeln zu. Remy, der sich mit dem Rücken an einen Pfeiler von geschnitztem Holz gelehnt hatte, schaute ebenfalls mit düsterer Miene.
    Der Prinz fuhr mit einer Hand über seine Stirn, wischte einige Schweißtropfen ab, die darauf peilten, und verschlang das Stück, in das er gebissen hatte. Dieser Schweiß war ohne Zweifel das Symptom einer plötzlichen Unpäßlichkeit; denn während Diana die andere Hälfte der Pfirsich aß, ließ der Prinz das, was ihm von der seinigen übrigblieb, auf seinen Teller fallen, stand mit einer gewissen Anstrengung auf und schien seine schöne Tischgenossin einzuladen, mit ihm im Garten freie Luft zu schöpfen.
    Diana erhob sich und nahm, ohne ein Wort zu sprechen, den Arm, den ihr der Prinz bot. Remy folgte ihnen mit den Augen, besonders dem Prinzen, den die Luft

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