Die Fünfundvierzig
völlig wiederbelebte. Während des Gehens trocknete Diana die kleine Klinge ihres Messers an einem goldgestickten Taschentuch ab und steckte es wieder in seine saffianlederne Scheide. So kamen sie ganz nahe zu dem Gebüsch, wo Henri verborgen war.
Der Prinz drückte verliebt den Arm der jungen Frau an sein Herz und sagte: »Ich fühle mich wieder besser, und dennoch weiß ich nicht, weicht Schwere mein Gehirn bedrückt; ich sehe, Madame, ich liebe zu sehr.«
Diana riß einige Blumen von einem Jasmin, einen Zweig von einer Rebwinde und zwei schöne Rosen ab.die eine ganze Seite des Sockels der Statue bedeckten, hinter der sich Henri erschrocken kleiner zu machen suchte.
»Was macht Ihr, Madame?« fragte der Prinz.
»Gnädigster Herr,« antwortete sie, »man hat mir stets versichert, der Wohlgeruch der Blumen sei das beste Mittel gegen Betäubung. Ich pflücke einen Strauß in der Hoffnung, von mir gegeben, werde dieser Strauß den magischen Einfluß haben, den ich ihm wünsche.«
Doch während sie die Blumen des Straußes zusammenfaßte, ließ sie eine Rose fallen, die der Prinz galanterweise aufzuheben sich beeilte.
Franz' Bewegung war rasch, doch nicht so rasch, daß Diana nicht Zeit gehabt hätte, auf die andere Rose einige Tropfen von einer Flüssigkeit fallen zu lassen, die in einem goldenen Fläschchen enthalten war, das sie aus ihrem Busen zog. Dann nahm sie die Rose, die der Prinz aufgehoben hatte, steckte sie an ihren Gürtel und sagte: »Diese ist für mich, tauschen wir.«
Und für die Rose, die sie aus den Händen des Prinzen empfing, reichte sie ihm den Strauß. Der Prinz nahm ihn gierig, roch voll Entzücken daran und schlang seinen Arm um Dianas Leib. Doch dieser wollüstige Druck brachte ohne Zweifel die Sinne des Prinzen vollends in Verwirrung, denn er wankte auf seinen Knien und war genötigt, sich auf eine Rasenbank zu setzen, die sich in seiner Nähe befand.
Henri verlor die beiden Personen nicht aus dem Gesicht, und dennoch hatte er auch einen Blick für Remy, der im Pavillon das Ende dieser Szene abwartete oder vielmehr jeden Umstand zu verschlingen schien. Als er sah, wie der Prinz wankte, trat er bis auf die Schwelle des Pavillons vor. Diana aber setzte sich, als sie Franz wanken fühlte, zu ihm auf die Bank.
Die Betäubung währte diesmal länger als das erstemal, der Prinz hatte den Kopf auf die Brust gesenkt, er schien den Faden seiner Gedanken und fast des Gefühlseines Daseins verloren zu haben, und dennoch deutete die krampfhafte Bewegung seiner Finger auf Dianas Hand an, daß er aus Instinkt seinen Liebeswahn verfolgte.
Endlich erhob er langsam den Kopf, und als sich seine Lippen in der Höhe von Dianas Gesicht fanden, machte er eine Anstrengung, um die seiner schönen Tischgenossin zu berühren, doch die junge Frau stand auf, als hätte sie diese Bewegung nicht gesehen.
»Ihr leidet, Monseigneur?« sagte sie, »es wäre besser, wir kehrten zurück.«
»Oh! ja, kehren wir zurück!« rief der Prinz, entzückt vor Freude; »ja, kommt, ich danke.«
Und er stand ganz schwankend auf; statt daß sich Diana auf seinen Arm stützte, war er es nun, der sich auf ihren Arm stützte; so vermochte er bequemer zu gehen, und er schien Fieber und Betäubung zu vergessen; Plötzlich sich aufrichtend, drückte er wie im plötzlichen Überfall einen Kuß auf den Hals der jungen Frau.
Diese bebte, als ob sie, statt des Eindrucks eines Kusses, die Verwundung eines glühenden Eisens gefühlt hätte.
»Remy, ein Licht! ein Licht!« rief sie.
Sogleich kehrte Remy in den Speisesaal zurück, zündete an den Kerzen auf dem Tische ein einzeln stehendes Licht an, das er von einem Leuchter nahm, näherte sich rasch, dieses Licht in der Hand, dem Eingang des Pavillons und rief: »Hier, Madame.«
»Wohin geht Eure Hoheit?« fragte Diana, indem sie das Licht ergriff und den Kopf abwandte.
»Oh! zu mir! zu mir! ... und nicht wahr, Ihr werdet mich führen, Madame?« erwiderte der Prinz voll Trunkenheit.
»Gern, Monseigneur,« antwortete Diana; und sie hob das Licht in die Höhe und schritt dem Prinzen voran.
Remy öffnete im Hintergrunde des Pavillons ein Fenster, durch das die Luft so gewaltig eindrang, daß dieKerze, die Diana trug, wie wütend ihre ganze Flamme, und ihren ganzen Rauch Franz, der gerade im Luftzug stand, in das Gesicht trieb.
Die Liebenden, Henri hielt sie für solche, kamen so, eine Galerie durchschreitend, bis zum Zimmer des Herzogs und verschwanden hinter der Tapete mit den
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