Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag
forschend an. »Mir sind Gerüchte über deine jüngste Unternehmung zu Ohren gekommen«, sagte er. »Einige klingen so abwegig, dass ich sie eher nicht glaube. Vielleicht erzählst du mir, was wirklich passiert ist.«
Ich überlegte kurz, wie er so schnell von meinem Abenteuer bei Levinshir erfahren haben konnte, doch dann begriff ich, dass er nur Näheres über die Verfolgung der Banditen im Eld wissen wollte. Ich tat einen stummen Seufzer der Erleichterung. »Ich gehe davon aus, dass Dedan Euch aufgesucht hat?«, fragte ich.
Alveron nickte.
»Es tut mir leid, dass ich ihn an meiner Stelle schicken musste, Euer Gnaden. Er ist nicht besonders diskret.«
Alveron zuckte mit den Schultern. »Er hat keinen Schaden angerichtet. Als er kam, bestand keine Notwendigkeit zur Geheimhaltung mehr.«
»Er hat meinen Brief also übergeben?«
»Ach ja, den Brief.« Alveron zog ihn aus einer Schublade. »Ich hielt ihn für einen etwas merkwürdigen Scherz.«
»Euer Gnaden?«
Er starrte mich ungeniert an und senkte den Blick dann auf den Brief.
»Siebenundzwanzig Männer«,
las er vor.
»Ihrem Tun und Aussehen nach zu schließen erfahrene Söldner … ein gut eingerichtetes, zum Teil befestigtes
Lager.«
Er hob den Kopf. »Du kannst nicht erwarten, dass ich das glaube. Zu fünft konntet ihr unmöglich gegen so viele bestehen.«
»Wir haben sie überrascht, Euer Gnaden«, sagte ich bescheiden, aber auch mit einem gewissen Stolz.
Der Maer verzog das Gesicht. »Bitte, ich will dir deinen provinziellen Humor nicht verbieten, aber das ist doch äußerst geschmacklos. Sag mir einfach die Wahrheit und fertig.«
»Aber das habe ich bereits. Hätte ich gewusst, dass Ihr Beweise braucht, hätte ich Dedan einen Beutel voll Daumen mitgegeben. Ich brauchte eine Stunde, um ihn von diesem Vorhaben abzubringen.«
Der Maer war wider Erwarten keineswegs überzeugt. »Vielleicht hättet ihr ihn gewähren lassen sollen«, meinte er.
Ich fand unser Gespräch überhaupt nicht mehr lustig. »Wenn ich Euch anlügen wollte, Euer Gnaden, würde ich mir eine überzeugendere Geschichte einfallen lassen«, gab ich zu bedenken. »Und wenn Ihr Beweise wollt, schickt einfach jemanden hin. Wir haben die Leichen verbrannt, aber die Schädel müssten noch da sein. Den Ort des Lagers kann ich Euch auf der Karte zeigen.«
Der Maer versuchte es anders. »Und was hat es mit diesem Anführer auf sich? Dem es angeblich nichts ausmachte, ins Bein geschossen zu werden? Der in sein Zelt ging und verschwand?«
»Es war tatsächlich so, Euer Gnaden.«
Alveron sah mich lange an und seufzte schließlich. »Dann glaube ich dir«, sagte er. »Aber es ist trotzdem seltsam und unerfreulich«, murmelte er wie zu sich selbst.
»So ist es, Euer Gnaden.«
Er musterte mich seltsam prüfend. »Was für einen Reim machst du dir darauf?«
Bevor ich antworten konnte, war aus den vorderen Zimmern die Stimme einer Frau zu hören. Alverons Miene hellte sich auf und er setzte sich aufrechter hin. Ich verbarg mein Lächeln hinter vorgehaltener Hand.
»Das ist Meluan«, sagte Alveron. »Wenn ich nicht irre, bringt sie die Frage mit, von der ich heute Nachmittag gesprochen habe.« Er lächelte verschmitzt. »Ich glaube, du wirst deine Freude daran haben, sie ist wirklich sehr schwierig.«
Kapitel 139
Schlosslos
S tapes geleitete Meluan herein, und Alveron und ich erhoben uns. Meluan war ganz in Grau und Lavendel gekleidet und hatte die kastanienbraunen Locken nach hinten gebunden, so dass ihr schlanker Hals zu sehen war.
Hinter ihr folgten zwei Dienstboten, die eine hölzerne Truhe trugen. Der Maer trat zu seiner Frau, um ihren Arm zu nehmen, während Stapes die Diener anwies, die Truhe neben den Sessel Meluans zu stellen. Dann scheuchte er sie wieder hinaus, zwinkerte mir noch verschwörerisch zu und schloss die Tür hinter sich.
Ich drehte mich zu Meluan um und verbeugte mich. »Was für eine Freude, Euch wiedersehen zu dürfen … gnädige Frau?« Die letzten beide Worte ließ ich wie eine Frage klingen, denn ich wusste nicht, wie ich sie anreden sollte. Die Ländereien der Lackless waren früher eine Grafschaft gewesen, doch war das vor dem unblutigen Aufstand gewesen, als die Lackless noch über Tinuë geherrscht hatten. Ihre Heirat mit Alveron komplizierte die Sachlage zusätzlich, da ich nicht wusste, ob es ein weibliches Gegenstück zum Titel eines Maershon gab.
Meluan machte eine lässige Handbewegung. »Gnädige Frau reicht zwischen uns vollkommen aus,
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