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Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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»Ich will nicht, dass darüber mit Fremden gesprochen wird.«
    Der Maer schien über ihre Antwort enttäuscht, bedrängte sie aber nicht weiter. Stattdessen wandte er sich mir zu. »Dann stelle ich dir jetzt die Fragen, die du uns gestellt hast. Um was für ein Holz handelt es sich?«
    »Es hat dreitausend Jahre gehalten«, überlegte ich laut. »Und es ist schwer, obwohl es hohl ist. Also handelt es sich um ein langsam wachsendes Holz wie Hainbuche oder Kennel. Aus Farbe und Gewicht schließe ich, dass es wie Roah einiges Metall enthält, wahrscheinlich Eisen oder Kupfer.« Ich zuckte mit den Schultern. »Mehr fällt mir dazu nicht ein.«
    »Und was ist in dem Kasten?«
    Ich überlegte lange, bevor ich etwas sagte. »Ein Gegenstand, der kleiner ist als ein Salzfässchen …« Meluan lächelte, aber Alveron runzelte kaum merklich die Stirn, deshalb fuhr ich hastig fort. »Etwas aus Metall, so wie es hin und her rutscht, wenn ich die Kassette kippe.« Ich schloss die Augen und lauschte auf das gedämpfte Anschlagen des Gegenstands an die Seitenwand der Kassette. »Nein, dem Gewicht nach zu schließen könnte es ein Gegenstand aus Glas oder Stein sein.«
    »Etwas Wertvolles«, sagte Alveron.
    Ich öffnete die Augen. »Nicht unbedingt. Jetzt ist der Gegenstand auf jeden Fall wertvoll, weil er so alt ist und schon so lange im Besitz der Familie. Und weil ihn ein Geheimnis umgibt. Aber war er es von Anfang an?« Ich zuckte mit den Schultern. »Wer könnte das sagen?«
    »Aber man bewahrt wertvolle Dinge in solchen Kassetten auf«, gab Alveron zu bedenken.
    »Stimmt.« Ich hob die Kassette und zeigte ihre glatten Oberflächen. »Aber diese Kassette hat kein Schloss. Vielleicht wollte man in ihr etwas wegschließen, etwas das gefährlich ist.«
    »Wie kommst du darauf?«, fragte Alveron neugierig.
    »Warum sollte man sich die Mühe machen?«, protestierte Meluan. »Warum etwas Gefährliches aufbewahren? Wenn etwas gefährlich ist, vernichtet man es.« Sie beantwortete ihre eigene Frage, kaum dass sie sie gestellt hatte. »Es sei denn, der Gegenstand war gefährlich und zugleich kostbar.«
    »Vielleicht war er so nützlich, dass man ihn nicht vernichten wollte«, meinte Alveron.
    »Oder man konnte ihn nicht vernichten«, sagte ich.
    »Jetzt die letzte und entscheidende Frage«, sagte Alveron und beugte sich noch weiter vor. »Wie öffnet man die Kassette?«
    Ich betrachtete sie eingehend, wendete sie in den Händen hin und her und drückte an die Seiten. Dann fuhr ich mit den Fingern über das Muster und tastete nach einer Fuge, die meine Augen nicht sehen konnten. Ich schüttelte sie vorsichtig, schnupperte an ihr und hielt sie ins Licht.
    »Keine Ahnung«, gestand ich.
    Alveron sackte ein wenig in sich zusammen. »Wahrscheinlich war das zu viel erwartet. Vielleicht braucht man dafür Magie?«
    Ich wollte ihm nicht unbedingt sagen, dass es diese Art von Magie nur im Märchen gab. »Aber keine, die ich beherrschen würde.«
    »Hast du je daran gedacht, sie einfach aufzusägen?«, fragte Alveron seine Frau.
    Meluan sah ihn entsetzt an, was ich ihr nachfühlen konnte. »Niemals!«, rief sie, als sie sich wieder gefasst hatte. »Sie steht für den Ursprung unserer Familie. Eher würde ich jeden Morgen Land, den wir haben, versalzen.«
    »Und da das Holz so hart ist«, fügte ich hastig hinzu, »würde man den Inhalt dabei wahrscheinlich beschädigen, zumal wenn er zerbrechlich ist.«
    »Es war ja nur ein Vorschlag«, beruhigte Alveron seine Frau.
    »Ein unbedachter«, sagte Meluan scharf, schien ihre Worte aber sofort zu bereuen. »Es tut mir leid, aber die bloße Vorstellung …« Sie verstummte sichtlich verstört.
    Alveron tätschelte ihr die Hand. »Das verstehe ich ja, meine Liebe. Du hast vollkommen recht, mein Vorschlag war unbedacht.«
    »Kann ich sie dann wieder haben?«, fragte Meluan ihn.
    Widerstrebend gab ich Meluan die Kassette zurück. »Wenn sie ein Schloss hätte, könnte ich versuchen, sie irgendwie zu öffnen, aber ich wüsste nicht einmal, wo Scharniere sind oder die Fuge des Deckels.«
Für die Klunker ihres Herren / Gibt’s ein Kästchen ohne Sperren.
Ich musste ständig an diesen Kinderreim denken und konnte mein Lachen gerade noch in ein Husten verwandeln.
    Alveron schien nichts zu bemerken. »Ich verlasse mich wie immer auf deine Verschwiegenheit.« Er stand auf. »Leider ist die uns zur Verfügung stehende Zeit so gut wie um. Du hast bestimmt anderes zu tun. Sollen wir uns morgen treffen, um über

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