Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag
Nachricht gehört und waren überrascht, mich am Leben zu sehen, doch bei den meisten schien es eine freudige Überraschung zu sein. Kilvin verlangte mich baldmöglichst in seiner Werkstatt zu sehen, und Mandrag, Dal und Arwyl debattierten darüber, welche Fächer ich künftig studieren sollte. Elodin winkte mir lediglich zu. Er war der Einzige, den meine wundersame Rückkehr aus dem Reich der Toten nicht zu beeindrucken schien.
Nach diesem kurzen angenehmen Durcheinander stellte der Rektor die Ordnung wieder her und begann mit meiner Befragung. Dals und Kilvins Fragen beantwortete ich mit Leichtigkeit. Bei Brandeur jedoch kam ich mit einigen Zahlen durcheinander und musste dann gestehen, dass ich auf Mandrags Frage, bei der es um Sublimation ging, schlicht und einfach keine Antwort wusste.
Elodin verzichtete mit einem Achselzucken auf seine Gelegenheit, mich zu befragen, und gähnte stattdessen herzhaft. Lorren stellte mir eine erstaunlich einfach Frage über die ketzerischen Lehren der Mender, auf die ich eine schnelle und kluge Antwort wusste. Über Arwyls Frage, bei der es um Lacillium ging, musste ich dagegen etwas länger nachdenken.
Damit blieb nur noch Hemme übrig, der mich finster angeblickt hatte, seit ich vor dem Tisch der Meister aufgetaucht war. Meine bisher allenfalls durchwachsene Prüfungsleistung hatte ihm mittlerweile ein selbstgefälliges Lächeln entlockt. Bei jeder falschen Antwort von mir hatten seine Augen gefunkelt.
»Nun denn«, sagte er und kramte in den vor ihm liegenden Papieren. »Ich hätte ja nicht gedacht, dass wir uns noch einmal mit einem Unruhestifter wie dir herumschlagen müssen.« Er warf mir ein unaufrichtiges Lächeln zu. »Ich hatte gehört, du seist tot.«
»Und ich habe gehört, dass Ihr ein rotes Spitzen-Korsett tragt«, erwiderte ich in sachlichem Ton. »Aber ich glaube ja schließlich nicht jeden Blödsinn, den man sich so erzählt.«
Darauf gab es einiges Herumgebrülle, und ich wurde des ungehörigen Verhaltens gegenüber einem Meister beschuldigt. Man verurteilte mich, zur Strafe ein Entschuldigungsschreiben aufzusetzen und eine Buße von einem Silbertalent zu entrichten. Bestens angelegtes Geld.
Es war tatsächlich ungehörig von mir, und der Zeitpunkt dafür hätte nach meinen durchwachsenen Prüfungsleistungen kaum ungünstiger sein können. Die Folge war, dass man mir Studiengebühren in Höhe von vierundzwanzig Talenten aufbrummte. Das war mir natürlich äußerst unangenehm.
Anschließend ging ich zurück ins Büro des Quästors. Ich legte Riem das Bürgschaftsschreiben von Alveron nunmehr offiziell vor und strich inoffiziell meinen mit ihm vereinbarten Anteil ein: Die Hälfte von allem über zehn Talente. Als ich die sieben Talente einsackte, fragte ich mich, ob wohl jemals schon jemand für seine Unverschämtheit und sein Unwissen so gut bezahlt worden war.
Dann ging ich zum ANKER’S, wo ich zu meiner Freude feststellte, dass niemand den Wirt von meinem Tod unterrichtet hatte. Mein Zimmerschlüssel lag zwar auf dem Grunde der Sundersee, aber Anker hatte noch einen zweiten in Reserve. Ich ging hinauf und erblickte mit einem Gefühl der Erleichterung die altvertrauten Dachschrägen und das schmale Bett. Alles in dem Zimmer war mit einer Staubschicht bedeckt.
Man sollte ja meinen, dass mir diese enge Dachkammer nach den üppigen Gemächern bei Alveron beengt vorgekommen wäre. Doch dem war überhaupt nicht so. Schnell begann ich, meinen Reisesack auszupacken und die Zimmerecken von Spinnweben zu befreien.
Eine Stunde später hatte ich das Schloss der Truhe am Fußende meines Betts geknackt und die Sachen herausgeholt, die ich darin eingelagert hatte. Ich stieß auf die Einzelteile der Harmonie-Uhr und beschäftigte mich ein wenig damit, wobei ich mich zu erinnern versuchte, ob ich damals gerade dabei gewesen war, sie auseinanderzunehmen oder wieder zusammenzusetzen.
Da ich keine dringenden Verpflichtungen hatte, ging ich anschließend wieder hinüber nach Imre. Ich schaute im EOLIAN vorbei, wo mich Deoch mit einer begeisterten Umarmung empfing, die michvon den Füßen hob. Nachdem ich mich so lange unter Fremden und Feinden aufgehalten hatte, wusste ich fast gar nicht mehr, wie es war, von der Wärme freundlicher Gesichter umgeben zu sein. Deoch, Stanchion und ich tranken etwas miteinander und erzählten uns alles Mögliche, bis es draußen dunkel wurde, und dann ging ich, damit sie sich um ihre Geschäfte kümmern konnten.
Ich streifte eine Zeit
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