Die Gabe der Amazonen
und Yppolita stürzte bäuchlings auf das Pflaster. Ihre Schwester trat zurück und wartete lächelnd, bis sie wieder auf die Beine gekommen war.
»Nimm mir diese verdammte Fessel ab!« knurrte Larix neben mir. Ich hatte ihn völlig vergessen. Ich dachte nicht einmal daran, daß es bei diesem Kampf auch um unser Leben ging. Ohne meinen Blick von den Kämpferinnen zu nehmen, hantierte ich an den eisernen Ringen, bis sie endlich von Larix' Handgelenken fielen.
Ein bitterer Gedanke kam mir in den Sinn, während ich das Gefecht zwischen den beiden Schwestern beobachtete: Ulissa hatte Yppolita einen schmachvollen Tod bereiten wollen. Ihre Kriegerinnen hatten diesen Plan durchkreuzt, und nun hatte die Königin doch noch ihr Ziel erreicht. Sie konnte die Schwester, die unter den Kriegerinnen immer als die beste gegolten hatte, im Kampf demütigen. Es war die Königin, die die Waffe mit sicherer Hand führte, völlig gelassen, nach Amazonenart. Yppolita dagegen, der das Schandkleid in Fetzen vom Körper hing, die nach mehreren Stürzen von Schmutz und Blut gesudelt war, trippelte auf lächerlichen Schuhen wie eine Schankdirne über den Hof, mit unbeherrscht flackerndem Blick und schweißverklebten Haaren – welch ein Kontrast zu der aufrecht schreitenden Königin mit makellos blinkendem Panzer und stolz wehendem Helmbusch!
Ulissa hatte keine Eile, das Gefecht zu beenden, und Yppolita nicht die Kraft. So klirrte Stahl auf Stahl, bis ich das Geräusch kaum mehr ertragen konnte. Yppolita atmete schwer. Ihr hilfloses Keuchen ging mir durch Mark und Bein.
Aus den Augenwinkeln bemerkte ich Viburn, der vom Dach herabgeklettert und zwischen Larix und mich getreten war. Ich nahm mir nicht die Zeit, ihn anzuschauen. Aber er stieß mich sanft in die Seite.
»Arve, guck nicht so verzweifelt!« raunte er mir ins Ohr. »Der Kampf wird bald vorüber sein – und unser Mädchen wird ihn gewinnen. Darauf setze ich meine Hälfte der Belohnung.«
»Halt die Schnauze!« zischte ich zurück. »Wie kannst du jetzt von der Belohnung faseln?«
Ulissa trieb Yppolita mit Säbelhieben vor sich her, als wollte sie eine Bettlerin aus der Burg prügeln. Yppolita stöckelte rückwärts, wehrte mit Mühe und knapper Not die hageldichten Schläge ab.
»Schau in ihr Gesicht!« flüsterte Viburn. »Erinnere dich an ihren Kampf mit Junivera!«
»Das kann man nicht vergleichen«, gab ich zurück, doch dann sah ich, was Viburn meinte: Yppolita warf ihm ein Lächeln zu. Das mag unglaublich klingen, und doch ist es wahr; ich schwöre es! Ohne ihre Miene merkbar zu verändern, ohne die in scheinbarer Verzweiflung zusammengezogenen Brauen zu bewegen, sandte Yppolita dem Streuner ein Lächeln, einen Blick voller Zuversicht.
Ulissa straffte sich. Der angespannte Körper in der Rüstung und das plötzlich ernste, fast strenge Gesicht verkündeten eines: Das Ende des Kampfes war gekommen!
Ein paar lässig geführte Hiebe, dann schoß Ulissas Säbelspitze plötzlich vor, um den Schenkel der Gegnerin zu durchbohren. Yppolita riß die Waffe nach unten, aber Ulissa hatte mit einer kaum merklichen Drehung des Handgelenks die Stoßrichtung geändert, der Stahl durchbohrte Yppolitas schutzlosen Oberkörper ... Nein, nein! Er glitt hindurch zwischen Brustkorb und Arm, gerade unterhalb der Achsel. Yppolita preßte den Oberarm an den Leib, klemmte die Klinge ein, warf sich herum, riß ihrer Schwester die Waffe aus der Hand und schlug ihr gleichzeitig den Korb des eigenen Säbels ins Gesicht. All das war eine einzige Bewegung, schneller als die Drehung eines Derwisches beim Fackeltanz. Ulissa faßte sich mit der Hand ins Gesicht, wich taumelnd zurück. Sie hatte ihren Helm verloren. Im Zurückweichen verhedderten sich ihre Füße in dem mächtigen Federbusch. Die Königin stürzte nach hinten, prallte mit dem Rücken auf die breite Brunnenmauer. Kaum hatten ihre Schultern die Steine berührt, da war Yppolita über ihr, legte die rechte Hand über ihr Gesicht und drückte ihren Kopf nach unten, über die Kante der Brunnenmauern. Der schöne Körper der Königin bäumte sich auf wie ein Bogen, ein schlanker Bogen, der von harter Hand gespannt wird, gespannt über den Punkt hinaus, da er zerbricht ...
Mit angehaltenem Atem wartete ich darauf, das widerwärtige Knacken zu hören, da gab Yppolita ihre Schwester frei. Sie riß sie hoch, zog ihren Kopf vor ihr Gesicht, so nahe, daß sich ihrer beider Stirnen beinahe berührten. »Nein, du sollst nicht im Kampf sterben –
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