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Die Gabe der Amazonen

Die Gabe der Amazonen

Titel: Die Gabe der Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kiesow
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ist der einzige brauchbare Abdruck, den ich gefunden habe.« Viburn schüttelte sich. »Denk dir, Arve, die sind an dieser Stelle in den Bach gestiegen und dann im Wasser weitergegangen – eine scheußliche Vorstellung, nicht wahr?«
    »Wie kommst du eigentlich darauf, daß es mehrere Diebe sind?«
    Viburn stand auf und klopfte sich feuchten Schmutz von den Knien. »Stimmt, dafür gibt es keinen Beweis. Ich bin einfach davon ausgegangen, daß niemand es wagen würde, unsere furchterregende Truppe ganz allein zu überfallen. Vielleicht haben wir es tatsächlich mit einem Einzelgänger zu tun.«
    Wir gingen noch ein Stück am Bach entlang, konnten die Fußspur aber nicht wiederfinden. Schließlich kehrten wir zum Lager zurück. Schon von weitem schallte uns ein vertrauter Wortwechsel entgegen.
    »Ich steige nicht auf diese Mißgeburt – ein für allemal!«
    »Aber Larix, sei doch vernünftig. Hier im Wald kommst du auf deinen ... äh ... kommst du einfach nicht schnell genug voran.«
    »Sprich dich ruhig aus, Elgor von Bethana! Auf deinen kurzen Beinen, wolltest du sagen. Ein Packesel ist ein Packesel, mein Lieber! Du wirst es nicht erleben, mich auf diesem Grautier zu sehen! Ich bin doch kein Proviantsack!«
    »Was hättest du denn gern, ein Vollblutshadif oder ein Kampfkamel?«
    »Ihr beide seid unerträglich«, fuhr Juniveras dunkle Stimme dazwischen. »Dann geht Larix eben zu Fuß, aber wenigstens könntet ihr schon einmal das Gepäck auf den Esel schnallen. Ich frage mich, wo Viburn und Arve bleiben.«
     
    Wenig später waren wir unterwegs. Wie gewöhnlich ging ich an der Spitze. Da ein gehöriger Schuß Elfenblut in meinen Adern fließt, fiel mir die Rolle des Pfadfinders zu, seit wir kurz hinter Rommilys die Straße verlassen hatten. Mir wäre es allerdings nicht im Traum eingefallen, so kurz nach dem Beginn unserer Reise schon einen Schleichpfad durch den Wald zu suchen. Im Spätherbst ist der Wald dunkel, feucht und kalt. Die Wölfe sind hungrig, und auf eine warme Herberge darf man nicht hoffen. Wir hätten auf der Straße bleiben sollen, die sich eine Tagesreise nördlich von uns durch das breite Tal zwischen Trollzacken und Schwarzer Sichel wand. Später, kurz vor Beilunk, hätten wir immer noch untertauchen und unsere Spuren verwischen können. Aber Elgor bestand auf äußerste Heimlichkeit. Außerdem hatte er eine alte Karte aufgetrieben, die einen vergessenen Pfad längs der Nordflanke der Trollzacken zeigte. Was konnte einfacher sein, als diesem Pfad zu folgen – noch dazu für einen Halbelf?
    Es hat keinen Sinn, einem Edelmann und Mitglied des Kriegerstandes zu widersprechen. Krieger sind die geborenen Anführer; damit muß man leben.
    Natürlich war der Pfad seit Jahrzehnten zugewachsen. Schon nach wenigen Stunden hatten wir ihn verloren – falls es ihn jemals gegeben hatte. Ich versuchte, nordöstliche Richtung zu halten, und führte die Gruppe ständig bergauf. Auf diese Weise mußten wir irgendwann auf die andere Seite der Trollzacken gelangen, so hoffte ich jedenfalls. Auf hinderliches Gestrüpp konnte ich bei meiner Pfadfinderei keine Rücksicht nehmen, ich suchte immer den kürzesten Weg. Und deshalb kamen wir nicht eben schnell voran. Seit Stunden mühten wir uns nun durch einen dichten Lärchenwald. Ich wußte nicht mehr, wie viele schwarze, kratzige, seltsam knorplige Lärchenzweige ich schon zur Seite gebogen hatte. Die Arme wurden mir schwer. Der Boden war mit einer dichten gelben Schicht abgefallener Nadeln bedeckt, wenigstens unsere Füße schritten bequem auf einem weichen Polster dahin. Hinter mir ging Elgor. Bei jedem Schritt prallte seine Schwertscheide klappernd gegen sein Kettenhemd. Ihm folgte der ewig brummelnde Larix. (»Ich gehe vielleicht nicht sehr schnell, aber wenigstens leise. Manche Leute scheppern durch den Wald wie der Karren eines Kesselflickers.«)
    Junivera hatte es übernommen, unseren Packesel zu führen. Sie war die einzige, der das seltsame Tier willig folgte. Am Schluß, immer ein wenig zurückhängend, ging Viburn, der Streuner aus Havenas dunklen Straßen.
    Viburn hatte ein einfaches Motto: ›Ich bin mein einziger Freund, denn ich bin der einzige Mensch, auf den ich mich wirklich verlassen kann.‹ Trotzdem würde ich Viburn als meinen Freund bezeichnen. Ich kenne ihn von Kindesbeinen an. Als Halbelf ist man nichts Rechtes, weder Mensch noch Elf, und findet nur schwer einen Freund ... Ich habe Viburn schon früher oft aus den Augen verloren, doch immer,

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