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Die Gabe der Amazonen

Die Gabe der Amazonen

Titel: Die Gabe der Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kiesow
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Gasse beschloß ich zu handeln. Blitzschnell sprang ich vor, schlug den einen Wächter nieder, dann den andern, und schon wollte ich dem Fürsten – o Herr, vergebt mir! – das Messer an die Kehle setzen. Aber der Fürst packte mich – so« (Viburn umklammerte mit der Rechten seine Linke) »und wollte mir schier die Hand zerbrechen. Dann nahm er mich gefangen und schleppte mich in den Palast. Darum stehe ich nun hier und muß um Gnade flehen.«
    »Genauso hat es sich zugetragen«, bestätigte der Fürst. Er lauschte einem Höfling, der ihm etwas ins Ohr flüsterte. »Oh, ich höre gerade, ich habe wichtige Geschäfte zu erledigen. Ich fürchte, wir müssen die Bestrafung verschieben.«
    Er gab Viburn einen herzhaften Tritt ins Gesäß. »Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben, du Galgenstrick! Führt ihn hinweg und werft ihn in das finsterste Loch!«
    Viburn wurde von den Soldaten fortgezerrt und hörte gerade noch, wie die Fürstin sagte: »Ein schlechter Mensch! Du solltest ihm beide Hände abhacken lassen, mein Lieber – und vielleicht den linken Fuß ...«
    Später am Tage besuchte Fürst Halman ui Bennain den Streuner Viburn im Verlies, um ihm einen Handel vorzuschlagen. Der Fürst eröffnete das Gespräch: »Ich könnte dich totschlagen und heimlich wegschaffen lassen. Das weißt du.«
    Viburn schüttelte die Locken aus dem Gesicht. »Aber das habt Ihr nicht wirklich vor, sonst sprächet Ihr zu mir nicht davon.«
    Der Fürst lächelte. »Meine Frau hat recht, du bist ein schlechter Mensch – aber dein Kopf arbeitet schnell. Wenn ich dir deine rechte Hand und die Freiheit schenke, würdest du mir einen Gefallen tun?«
    »Das kommt darauf an.«
    Fürst Halman hob verwundert die Brauen. »Bursche, treib es nicht zu weit! Mir scheint, du vergißt deine Lage!«
    »Nein, keineswegs«, versicherte Viburn rasch, »aber vielleicht bin ich besser bedient, wenn ich auf meine Hand und die Freiheit verzichte, als wenn ich Euch gefällig bin, hoher Herr. Bevor ich einschlage, möchte ich doch mehr über diese Gefälligkeit wissen, das müßt Ihr verstehen.«
    Der Fürst zog einen Höcker heran und ließ sich nieder. »Jedermann glaubt, ich hätte zwei Kinder, den Prinzen Cuano und die Prinzessin Algei. Aber ich habe noch eine zweite Tochter. Sie heißt Yppolita und lebt in der Fremde. Es gibt nur wenige Menschen, die von Yppolita wissen – meine Frau gehört nicht dazu. Ich habe Yppolita noch nie gesehen; ihre Mutter wünschte es nicht. Vor drei Jahren starb die Mutter, und ich schickte meiner Tochter einen Brief. Ich erhielt bald eine Antwort und ließ einen zweiten Brief überbringen. Meine Tochter wollte mich gern kennenlernen, ich schickte einen dritten Brief, in dem ich ein Treffen vorschlug. Doch nun erhielt ich keine Antwort mehr. Ich suchte den Treffpunkt trotzdem auf – ich hatte das Turnier in Gareth vorgeschlagen –, aber meine Tochter erschien nicht. Seit zwei Jahren habe ich von Yppolita nichts mehr gehört. Ich fürchte fast, sie lebt nicht mehr. Aber ich möchte Gewißheit haben. Darum bat ich ein paar enge Vertraute, Nachforschungen für mich anzustellen. Die Gruppe will morgen aufbrechen, und ich bitte dich, sie zu begleiten. Alle drei sind nämlich zuverlässige Leute, in gewissen Dingen aber unerfahren. Sie haben eine weite Reise vor sich, und mir scheint, daß sie jemanden wie dich gebrauchen könnten – auch wenn sie das vielleicht nicht glauben.«
    Viburn war überrascht. »Das scheint mir kein schwieriger Auftrag zu sein, mein Fürst. Welchen Haken hat er?«
    Fürst Bennain runzelte die Stirn, fuhr aber mit ruhiger Stimme fort: »Ich würde es nicht Haken nennen, aber ich weiß, was du meinst. Meine Tochter ist eine Königin, die Königin der Amazonen.«
    Viburn hätte fast einen Pfiff ausgestoßen, aber er beschränkte sich darauf die Lippen zu spitzen und bedächtig zu nicken. »Niemand weiß, wo der geheime Palast der Amazonen liegt«, sagte er. »Jeder Fremde, der ihn ungebeten betritt, ist verloren, und wer den Amazonen in die Hände fällt, der stirbt einen schweren Tod – so heißt es jedenfalls. Das darf man doch – in aller Bescheidenheit – als Haken bezeichnen.«
    Fürst Bennain unterdrückte ein Lächeln. »Hast du gedacht, ich schenke dir die Freiheit ohne Gegenleistung?« Er sprang auf und trat an das Gitterfenster in der Kerkertür. Die Hände hatte er auf den Rücken gelegt und schlug mit den Fingern der linken in die Handfläche der rechten. »Was ist nun mit unserem

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