Die Gärten des Mondes
Flucht. Doch er sah keine Leichen, keine Anzeichen von Gewalt, nur Hinweise auf die offensichtliche Hast, mit der die Menschen aufgebrochen waren. Er holte tief Luft und atmete langsam wieder aus, dann trieb er sein Pferd weiter. Die Hauptstraße war genau betrachtet die einzige Straße der Stadt, und sie führte auf ein frei stehendes, zweistöckiges Steingebäude zu, vor dem die Straße nach links und rechts abbog. Hier befand sich der Sitz der örtlichen imperialen Schutztruppen. Die mit Blech verkleideten Rollläden waren heruntergelassen, und die Tür, die mit schweren Eisenbändern beschlagen war, war verschlossen. Paran ließ das Gebäude nicht aus den Augen, während er langsam näher kam.
Er stieg vor dem Gebäude ab und band sein Pferd an den dafür vorgesehenen Balken, dann drehte er sich um und ließ seinen Blick die Straße entlangschweifen. Nichts rührte sich. Paran drehte sich wieder zur Tür um und zog dabei die Klinge aus der Scheide.
Ein sanftes, gleichmäßiges Geräusch aus dem Innern des Gebäudes ließ ihn innehalten; es war so leise, dass er es erst jetzt, als er direkt vor der großen Tür stand, hören konnte: ein fließendes Murmeln, bei dem sich die Härchen in seinem Nacken aufrichteten. Paran setzte die Schwertspitze knapp unterhalb des eisernen Riegels an, schob ihn nach oben, bis er frei war, und stieß die Tür auf.
Er nahm Bewegung in dem Zwielicht wahr, das drinnen herrschte, und ihm war, als hörte er in der Luft, die den widerlichen Geruch von faulendem Fleisch zu ihm herantrug, etwas wabern und rascheln. Schwer atmend, den Mund so trocken wie ein Fetzen Baumwollstoff, wartete er, bis sich seine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten.
Er starrte in den Vorraum der Wachstation, der vor Bewegung zu flimmern schien und von einem frostigen, sanften Säuseln wie aus tausenden von Kehlen erfüllt war. Der Raum war voller schwarzer Tauben, die in eisiger Ruhe vor sich hin gurrten. Menschliche Gestalten in Uniformen lagen wild verstreut zwischen ihnen, umgeben von Vogelkot und sanft schwebenden schwarzen Federn. Der Geruch nach Schweiß und Tod hing wie ein Schleier in der Luft.
Er machte einen Schritt in den Raum hinein. Die Tauben raschelten, scherten sich jedoch ansonsten nicht um ihn. Nicht eine Einzige versuchte, durch die offene Tür zu entkommen.
Aufgedunsene Gesichter mit leeren Augen starrten ihn aus dem Dunkel an, sie waren blau angelaufen, als wären die Männer erstickt. Paran sah auf einen der Soldaten hinunter. »Heutzutage ist es nicht besonders gesund«, murmelte er, »so eine Uniform zu tragen.«
Eine Vogelschar hält die Totenwache. Welch ein Hohn, Ich glaube, schwarzer Humor ist nichts mehr für mich. Er schüttelte sich und durchquerte den Raum. Gluckend wichen die Vögel seinen Stiefeln aus. Die Tür zum Amtszimmer des Hauptmanns stand weit offen. Staub tanzte in den Lichtbahnen, die durch die Ritzen des geschlossenen Fensterladens fielen. Paran schob sein Schwert in die Scheide zurück und betrat das Amtszimmer. Der Hauptmann saß noch immer auf seinem Stuhl, das Gesicht aufgequollen und voller blauer, grüner und grauer Flecken.
Paran wischte feuchte Federn vom Schreibtisch, wühlte in den Papieren. Die Papyrusblätter zerbröselten unter seiner Berührung, die Stücke fühlten sich verfault und ölig an.
Hier hat jemand die Spur sehr gründlich verwischt.
Er drehte sich um, ging ohne rasche Bewegungen durch den Vorraum zurück, bis er wieder ins warme Sonnenlicht trat. Er schloss die Tür zu dem Gebäude, wie es ohne jeden Zweifel auch die Dorfbewohner getan hatten.
Die dunkle Blüte der Zauberei war ein Schandfleck, den nur die wenigsten genauer untersuchen wollten. Er neigte dazu, sich immer weiter auszubreiten ...
Paran band sein Pferd los, stieg in den Sattel und ritt aus der verlassenen Stadt. Er blickte sich nicht ein einziges Mal um.
Fett und aufgedunsen hockte die Sonne zwischen rot gefärbten Wolken auf dem Horizont. Paran versuchte krampfhaft, die Augen offen zu halten. Es war ein langer Tag gewesen. Ein schrecklicher Tag.
Das Land um ihn herum, das ihm einst so vertraut und sicher erschienen war, war zu etwas anderem geworden - zu einem Ort, der von dunklen Strömen der Magie aufgewühlt wurde. Er war nicht unbedingt wild darauf, die Nacht im Freien zu verbringen.
Sein Pferd trottete mit gesenktem Kopf dahin, während sie allmählich von der Abenddämmerung eingehüllt wurden. Tief in Gedanken versunken, versuchte Paran einen Sinn
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