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Die Gärten des Mondes

Die Gärten des Mondes

Titel: Die Gärten des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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an, was aus dir geworden ist.
    Seine Stute blieb plötzlich stehen, trampelte verwirrt auf der Stelle. Paran griff nach seiner Waffe, während er sich unbehaglich im Dämmerlicht umsah. Der Weg führte durch Reisfelder; die nächsten Hütten der Bauern erhoben sich auf einem Hügelkamm, der in vielleicht hundert Schritten Entfernung parallel zur Straße verlief. Doch eine Gestalt versperrte jetzt die Straße.
    Ein kalter Windhauch wallte träge heran; er veranlasste das Pferd, die Ohren anzulegen und mit geweiteten Nüstern zurückzuzucken.
    Die Gestalt - ihrer Größe nach ein Mann - war in vielerlei Schattierungen von Grün gehüllt: Er trug einen Umhang, eine Kapuze, eine verblichene Tunika und leinene Beinkleider über grün gegerbten Lederstiefeln. Ein einzelnes Langmesser, eine bei den Kriegern aus dem Reich der Sieben Städte sehr beliebte Waffe, steckte in einem schmalen Gürtel. An den Händen des Mannes, die im Dämmerlicht ein wenig grau wirkten, glitzerten Ringe. Er trug Unmengen davon -Ringe an jedem Finger, ober- und unterhalb der Knöchel. Er hob eine Hand und hielt einen Tonkrug in die Höhe.
    »Habt Ihr Durst, Leutnant?« Die Stimme des Mannes war sanft, sein Tonfall ungewohnt melodisch.
    »Was habe ich mit Euch zu schaffen?«, fragte Paran. Er ließ die Hand am Griff seines Langschwerts.
    Der Mann streifte seine Kapuze zurück. Er lächelte. Sein Gesicht war lang, die Haut hellgrau, und er besaß dunkle, seltsam schräg gestellte Augen. Er sah aus, als wäre er Anfang dreißig, doch sein Haar war weiß. »Die Mandata hat mich um einen Gefallen gebeten«, sagte er. »Sie wartet mit zunehmender Ungeduld auf Euren Bericht. Ich soll Euch geleiten ... mit großer Eile.« Er schüttelte den Krug.
    »Aber zuerst: eine Mahlzeit. In meinen Taschen ist ein echtes Festmahl versteckt, weit mehr, als ein verschüchtertes kanesisches Dorf je bieten kann. Leistet mir Gesellschaft, hier am Straßenrand.
    Wir könnten uns etwas amüsieren - mit einer gepflegten Unterhaltung, oder mit der müßigen Beobachtung der Bauern, die sich endlos abrackern. Man nennt mich Topper.« »Den Namen kenne ich«, sagte Paran.
    »Nun, das solltet Ihr auch«, erwiderte Topper. »Der bin ich, leider! Das Blut eines Tiste Andii rinnt durch meine Adern und versucht ohne Zweifel, dem gewöhnlicheren menschlichen Strom zu entkommen. Meine Hand war es, die Untas königlicher Familie das Leben raubte ... dem König, der Königin, ihren Söhnen und Töchtern.«
    »Und ihren Cousins und Kusinen ersten, zweiten, dritten Grades ...«
    »Um alle Hoffnung auszulöschen, in der Tat. Das war meine Pflicht als Klaue mit unübertroffenen Fähigkeiten. Aber Ihr habt meine Frage noch nicht beantwortet.«
    »Und die wäre?«
    »Habt Ihr Durst?«
    Mit finsterer Miene stieg Paran vom Pferd. »Ich dachte, Ihr hättet gesagt, die Mandata wünscht große Eile?«
    »Oh, eilen werden wir, Leutnant, wenn wir erst unsere Bäuche gefüllt und uns höflich unterhalten haben.«
    »Höflichkeit steht sehr weit unten auf der Liste Eurer Fähigkeiten, Klaue, wenn man Euren Ruf bedenkt.«
    »Sie ist ein sorgsam gepflegter Charakterzug, doch leider habe ich in diesen grausamen Tagen nur sehr wenig Gelegenheit, diesen zur Geltung kommen zu lassen, Leutnant. Sicherlich werdet Ihr mir etwas von Eurer wertvollen Zeit schenken, da ich Euer Geleit sein werde.«
    »Welche Absprachen Ihr auch immer mit der Mandata getroffen habt, sie existieren zwischen Euch und ihr«, sagte Paran, während er näher an den Mann herantrat. »Ich schulde Euch nichts, Topper. Außer Feindschaft.«
    Topper hockte sich hin und zog mehrere eingewickelte Päckchen aus den Taschen, gefolgt von zwei kristallenen Kelchgläsern. Er entkorkte den Krug. »Alte Wunden. Man gab mir zu verstehen, Ihr hättet einen anderen Weg eingeschlagen und die öden, drängelnden Reihen des Adels hinter Euch gelassen.« Er hob den Krug und füllte die Gläser mit bernsteinfarbenem Wein. »Ihr seid jetzt eins mit dem Imperium, Leutnant. Es befiehlt Euch. Ihr gehorcht seinem Willen, ohne Fragen zu stellen. Ihr seid ein kleiner Teil eines Muskels in diesem Körper. Nicht mehr, nicht weniger. Die Zeit für alten Groll ist längst vorüber. So«, er stellte den Krug ab und reichte Paran ein Glas, »trinken wir jetzt auf einen Neuanfang, Ganoes Paran, Leutnant und Adjutant der Mandata Lorn.«
    Mit immer noch finsterer Miene nahm Paran das Glas entgegen.
    Topper lächelte, betupfte sich die Lippen mit einem Seidentaschentuch.

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