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Die Gärten des Mondes

Die Gärten des Mondes

Titel: Die Gärten des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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in all dem zu erkennen, was sich seit dem Morgen dieses Tages ereignet hatte.
    Seit er dem mürrisch dreinblickenden, lakonischen Hauptmann und der Garnison von Kan entrissen worden war, hatte er seine Zukunftsaussichten gewaltig steigen sehen. Adjutant der Mandata zu werden war ein Sprung in seiner beruflichen Laufbahn, wie er ihn sich eine Woche zuvor nicht einmal in seinen kühnsten Träumen hätte vorstellen können. Trotz des Berufs, den er sich ausgesucht hatte, würden sein Vater und seine Schwestern angesichts dessen, was er erreicht hatte, ganz sicher beeindruckt sein, ihm vielleicht sogar Ehrfurcht entgegenbringen. Wie so viele andere Söhne und Töchter der Adelshäuser hatte er schon lange sein Augenmerk auf das Imperiale Militär gerichtet; er hungerte nach Ruhm und Anerkennung, und die selbstzufriedene, satte Haltung des Adels langweilte ihn. Es reizte Paran nicht, Schiffsladungen mit Wein zu koordinieren oder sich um die Pferdezucht zu kümmern - er suchte eine größere Herausforderung.
    Natürlich war er nicht der Einzige, der sich freiwillig gemeldet hatte, um so leichter an eine Offiziersausbildung oder einen besonders begehrten Posten zu kommen. Er hatte einfach Pech gehabt, dass er nach Kan geschickt worden war, wo eine Veteranen-Garnison beinahe sechs Jahre lang damit beschäftigt gewesen war, ihre Wunden zu lecken, und die einem unerfahrenen Leutnant, der noch dazu von Adel war, herzlich wenig Respekt entgegengebracht hatte.
    Paran vermutete, dass sich dies seit dem Gemetzel auf der Straße geändert hatte. Er hatte seine Sache besser gemacht als viele der Veteranen, was zu einem nicht geringen Teil seinem Pferd zu verdanken war, das einer hervorragenden Zucht entstammte. Darüber hinaus hatte er sich freiwillig gemeldet, die eingehende Untersuchung zu leiten, um ihnen zu beweisen, wie kühl und sachlich er mit derartigen Aufgaben umzugehen wusste.
    Er hatte sich sehr gut gehalten, obwohl die Untersuchung des Gemetzels sich als ... schwierig erwiesen hatte. Er hatte Schreie gehört, während er zwischen den Leichen herumgekrochen war, Schreie, die von irgendwoher aus seinem eigenen Kopf gekommen waren. Sein Blick hatte sich an Kleinigkeiten und Merkwürdigkeiten festgehakt -an der sonderbar verrenkten Stellung dieser Leiche, dem unerklärlichen Lächeln auf dem Gesicht jenes toten Soldaten -, aber am schlimmsten war das zu ertragen gewesen, was den Pferden angetan worden war. Verkrustete, schaumige Nüstern und Mäuler - Zeichen großen Entsetzens - und schreckliche, gewaltige und furchtbare Wunden. Die einstmals so stolzen Tiere waren mit Galle und Fäkalien besudelt, und über allem lag eine glänzende Decke aus Blut und Fleischfetzen. Beinahe hätte er um die Pferde geweint.
    Er verlagerte unruhig sein Gewicht im Sattel, spürte, wie seine Hände auf dem Sattelhorn feucht wurden. Er hatte während der ganzen Episode sein Selbstvertrauen behalten, doch jetzt, da seine Gedanken zu jenem schrecklichen Bild zurückkehrten, war es fast so, als würde etwas, das bisher fest wie ein Fels in seinem Innern gestanden hatte, schwanken, zurückschrecken und sein Gleichgewicht bedrohen. Die leise Verachtung, die er denjenigen Veteranen seiner Truppe entgegengebracht hatte, die hilflos würgend am Straßenrand gekniet hatten, rächte sich jetzt. Wie ein verspäteter Schlag traf der Nachhall dessen, was er in dem Wachposten in Gerrom gesehen hatte, auf seine ohnehin schon gemarterte, geschundene Seele und zerrte an der Betäubung, die ihn noch immer fest im Griff hatte.
    Paran straffte sich mit einiger Anstrengung. Er hatte der Mandata gesagt, dass seine Jugend vorüber sei. Er hatte ihr auch noch andere Dinge gesagt, furchtlos, sorglos, und hatte dabei all die Vorsicht vermissen lassen, die sein Vater ihm hinsichtlich der vielen Gesichter, die das Imperium zeigen konnte, eingetrichtert hatte.
    Aus der Tiefe seines Bewusstseins stiegen alte Worte auf: führe ein unauffälliges Leben. Damals hatte er diese Bemerkung zurückgewiesen; das tat er auch jetzt noch. Doch die Mandata war auf ihn aufmerksam geworden. Und zum ersten Mal fragte er sich, ob es wohl richtig war, stolz darauf zu sein. Der hartgesottene Kommandant, der damals, vor vielen Jahren, mit ihm auf den Wällen von Mocks Feste gestanden hatte, hätte ihm voller Verachtung vor die Füße gespuckt, hätte er jetzt vor ihm gestanden. Der Knabe war kein Knabe mehr, sondern ein Mann. Du hättest auf meine Worte Acht geben sollen, Junge. Schau dir doch

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