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Die Galerie der Nachtigallen

Die Galerie der Nachtigallen

Titel: Die Galerie der Nachtigallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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ihrem
Liebhaber Mortimer den Thron entrissen hatte. Jetzt waren die Tage
des Löwen vorbei.
    Der König bewegte
sich. Er verlangte Musik, und ein junges Mädchen mit
spitzengesäumtem Schleier spielte die Viola. Der König
wanderte durch die Zeiten zurück, und die Geister versammelten
sich um sein Bett. Sein Vater, Edward II., in Berkeley umgebracht.
Seine Mutter Isabella, schön und leidenschaftlich. Philippa,
sein Weib, mit dunkler Haut und sanften Rehaugen, schon seit acht
Jahren tot. Und noch ein Geist: sein so kostbarer Sohn Edward, der
Schwarze Prinz, der Führer seiner Armeen, ein Pompejus
für seinen Cäsar. Der General, der die englische Fahne
über die Pyrenäen nach Navarra getragen und nichts mit
zurückgebracht hatte als eine Krankheit, die seinen
Körper zerfraß. Alles dahin!
    Sie kamen mit den
Proklamationen zur Thronfolge zurück, und der alte König
wußte, daß er starb. Siegel wurden angebracht. Er wurde
immer schwächer, und sein Gefolge schmolz. »Ist kein
Glaube mehr in Israel?« wisperte Edward. Der Palast in Sheen
wurde ein Mausoleum. Im eigenen Schweiß und Dreck ließ
man den König liegen, nur Alice Perrers, seine Geliebte, war
noch da. Sie kam in sein Sterbegemach gerauscht, die Finger beringt
mit Golddraht und das üppige rote Kleid mit kostbaren Steinen
besetzt. Sie mit der schmeichlerischen Zunge und dem schönen
Gesicht, die sich aus niemandem etwas machte, weil niemand sich
etwas aus ihr machte — sie saß nun neben ihrem
sterbenden Herrn und Liebhaber und bewachte ihn hungrig. Der
König erwachte aus einem Traum und sah ihre harten Augen und
wollüstigen Lippen.
    »Meine
Sonne«, flüsterte er.
    Die Perrers
lächelte, und ihre weißen Zähne blinkten, als sie
daran dachte, wie sie in goldenem Tuch durch die Cheapside
heraufgeritten war, mit hocherhobenem Kopf, die Ohren verschlossen
vor den Rufen. »Hure! Metze! Dirne!« Jetzt saß
sie neben dem König und bewachte ihn wie eine Löwin ihre
Beute. Ein alter Franziskanerpriester, John Hoccleve, kam herein,
aber die Perrers fauchte und scheuchte ihn hinaus. Der König
schloß die Augen. Sein Atem ging flach; furchtbares Rasseln
tobte in seiner Kehle. Die Perrers wartete nicht länger; sie
nahm ihm ab, was er an Geschmeide noch trug, und floh.
    Der alte Franziskaner
kam zurück, nahm des Königs Hand, hielt ihm ein Kruzifix
vor die verlöschenden Augen. Er intonierte das Dies
irae, und
als er zu dem Vers kam, der da heißt: »Weh, was
werd’ ich Armer sagen, wenn Gerechte selbst verzagen?«,
da öffnete der König die Augen.
    »Wünscht
Ihr die Absolution?« flüsterte Hoccleve.
    »Ach,
Jesus!« murmelte der König und drückte dem
Franziskaner matt die Hand.
    »So spreche ich
dich los ...«, sagte der Priester. «... von deinen
Sünden im Namen des ...«, und seine Stimme wurde lauter,
während das Todesrasseln des Königs klang wie das
Trommeln eines Tambours. Und der König wandte sich um. Ein
letztes Keuchen, und seine Seele fuhr hinaus in die Dunkelheit.
Hoccleve beendete sein Gebet und dachte an die goldenen Tage, da
der Königin all seinem Glanz einhergegangen war. Er neigte den
Kopf, legte die Stirn auf die Hand des toten Königs und
beweinte die Vergänglichkeit.
    *
    Ein paar Stunden
später saß John von Gaunt, Herzog von Lancaster und
ältester lebender Sohn des toten Königs, im Palast von
Westminster allein vor einem großen Kamin. Das Wams
geöffnet, die Schenkel gespreizt, saß er da und
ließ sich von der Hitze der lodernden Scheite die Kälte
von Beinen und Gemächt vertreiben. Der Herzog hatte die
Nachricht bekommen, als er, von einem plötzlichen Unwetter bis
auf die Haut durchnäßt, von der Jagd zurückgekehrt
war. Sein Vater war tot, und er war Regent, aber nicht König.
John stöhnte auf und ballte die juwelengeschmückte Faust.
Er sollte König sein, ein Mann der Krone mit Anspruch auf die
Throne von Kastilien, Frankreich, Schottland und England. Und was
war das einzige Hindernis? Ein goldblonder Zehnjähriger, sein
Neffe, Richard von Bordeaux, der Sohn seines älteren Bruders,
des gefürchteten Schwarzen Prinzen.
    »Nur einen
Herzschlag entfernt!« murmelte Gaunt. Nur ein kurzer Atemzug
trennte ihn von dem Diadem des Bekenners. Gaunt streckte sich, und
sein muskulöser Körper bebte vor Wut. Regent, aber kein
König! Das Land brauchte unbedingt einen entschlossenen
Herrscher. Die Franzosen plünderten die Küsten im
Süden. Die Schotten sammelten sich an der Grenze im Norden.
Die Bauern murrten, verlangten

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