Die Gamnma Option
der Nebel roch wie feuchter Schweiß. Neville hatte versprochen, hinüberzukommen und ihm Matt zu zeigen, sobald er seinen Unterricht begonnen hatte.
Bis dahin war Blaine mit seinen Gedanken wieder allein und versuchte erneut herauszufinden, welcher der dreißig Jungen, die vor ihm die Aufwärmübungen absolvierten, wohl Matt sei. Er versuchte die Auswahl einzuengen, indem er sich in Erinnerung rief, wie Lauren ausgesehen hatte, und ihre Gesichtszüge mit denen der Jungen verglich. Doch es war sinnlos. Seltsam, wenn man bedachte, daß er sich sein Leben lang immer wieder an fremden Orten aufgehalten und auf den ersten Blick erkannt hatte, ob ihm jemand freundlich gesonnen war oder nicht. Und hier konnte er noch nicht einmal seinen Sohn ausfindig machen.
»Nun kommt schon!« rief der kleine Mann mit dem Schnurrbart, während das Training mit einem Spielzug fortgesetzt wurde, bei dem sich die Mitglieder der beiden Mannschaften in einem Kreis um den Ball formierten, der in ihrer Mitte lag. »Stoßt jetzt vor! Genau! Und noch mal … und noch mal!«
»Ist Ihnen das Spiel überhaupt bekannt, Blaine?« fragte John Neville, der plötzlich neben ihm stand.
»Im großen und ganzen.«
»Es ist für die Kinder geschaffen. Sie können sich richtig austoben. Sie bekommen einen harten Knuff ab und können es dem anderen sofort heimzahlen. Je älter man wird, desto …«
»Danke.«
»Wofür?«
»Für die kleine Plauderei, bei der ich mich entspannen soll. Aber das ist nicht nötig.«
Neville nickte einfach. Dann sagte er: »Er steht von uns aus gesehen auf der rechten Seite des Spielfelds. Der Junge mit dem Schmutzfleck auf der Brust.«
Und während sein Herz kräftig gegen seine Rippen schlug, machte Blaine den Jungen aus, gerade, als ein Mannschaftskamerad ihm einen perfekten Paß zuspielte und Matthew Ericson an der rechten Seitenauslinie wie ein junger Champion durchstürmte. Ein rascher Zwischenschritt ließ einen Verteidiger der Gegenmannschaft ins Leere laufen, und nach einem angedeuteten, aber nicht durchgeführten Paß auf die linke Seite war der Weg zur Torlinie für ihn frei.
Der Junge lief mit anmutigen, weiten Schritten. Und er hatte einen kräftigen Schritt; die Spikes seiner Schuhe warfen Lehmbrocken hoch auf. Um einem etwaigen Verfolger auszuweichen, warf er sich schließlich zu Boden und drückte den Ball hinter der Auslinie nieder, um die Punkte zu sichern. Dann erhob er sich und nahm die Glückwünsche und Schulterklapse seiner Mannschaftskameraden und des bärtigen Trainers entgegen. Er kehrte mit den gleichen anmutigen Schritten zur Mittellinie zurück, mit denen er die Punkte erstürmt hatte; das Spiel seiner Oberschenkelmuskulatur war deutlich auszumachen. Sein Haar war glatt und lang, kräuselte sich an den Spitzen jetzt aber vor Feuchtigkeit. Seine Augen waren braun und hell, und er bewegte sich mit einer Geschmeidigkeit und einem Selbstvertrauen, das völlig natürlich wirkte.
»Soll ich ihn herbeirufen?« fragte Neville.
»Nein. Bitte nicht. Lassen Sie ihn in Ruhe.«
»Ihn oder Sie?«
»Was?«
Neville lächelte. »Dann also nach dem Training?«
»Ja. Das scheint mir besser zu sein.«
»Und ich soll Sie vorstellen als …«
»Als Freund seiner Mutter. Als guten Freund.«
»Und der morgige Feiertag?«
»Wir unternehmen etwas. Wenn er es möchte.«
»Sie unterschätzen ihn, Blaine. Er wird nicht nur etwas mit Ihnen unternehmen wollen, sondern auch sehr bald herausgefunden haben, was hier vor sich geht. Sie sollten darauf vorbereitet sein.«
»Ich werde es versuchen.«
»Ich war ein Freund deiner Mutter«, sagte er zu dem Jungen, als sie sich nach dem Training die Hände schüttelten, bevor John Neville Gelegenheit hatte, ihn vorzustellen. »Ein guter Freund.«
Der Griff des Jungen war verschwitzt, aber fest. Blaine war überrascht, als er lächelte. »Wirklich? Kannten Sie sie aus Amerika?«
»Hat mein Akzent mich verraten?«
Noch ein Lächeln. »Hat sie Sie vielleicht einmal erwähnt, Sir?«
»Nenn mich bitte Blaine. Nein, das glaube ich nicht.«
Im nächsten Augenblick wußte keiner der beiden, was er sagen sollte, und John Neville griff ein.
»Matt, Mr. McCrack … eh, Blaine … wird eine Weile in England bleiben und würde gern etwas Zeit mit dir verbringen. Der morgige Feiertag wäre eine Möglichkeit.«
»Wenn du sonst nichts vorhast«, fügte Blaine hinzu, um dem Jungen einen Ausweg zu lassen – oder vielleicht sich selbst.
»Das würde mir sehr gefallen,
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