Die Gateway-Trilogie: Mit einem Vorwort von Jack Vance (German Edition)
direkten Verhältnis zur zunehmenden Entfernung von den Alten wuchs, sie durch einen grünen Tunnel, mehrere Etagen im blauen Bereich hinauf, zu einer breiten, blauen Tür.
»Mal sehen, ob das richtig funktioniert«, sagte er und trat auf ein Pedal vor der Tür. Die Tür zögerte, seufzte, öffnete sich dann knarrend, und Wan führte sie befriedigt hinein.
Dieser Raum wirkte menschlich, obschon fremdartig. Es roch sogar menschlich, ohne Zweifel deshalb, weil Wan in seinem kurzen Leben hier so viel Zeit verbracht hatte. Lurvy nahm eine von Pauls Minikameras und steckte sie auf ihre Schulter. Die kleine Maschine nahm eine achteckige Kammer mit drei der gegabelten Hitschi-Sitze – zwei davon defekt – und einer befleckten Wand mit Hitschi-Instrumenten auf. Reihen farbiger Lichter auf Vorsprüngen. Hinter der Wand hörte man kaum wahrnehmbares Klicken und Summen. Wan zeigte darauf.
»Dahinter leben die Toten Menschen«, sagte er. »Wenn ›leben‹ das richtige Wort dafür ist.« Er kicherte.
Lurvy richtete die Kamera auf die Sitze und die gerändelten Knöpfe davor, dann auf ein kuppelförmiges Klauengebilde unter der beschmierten Wand. Es war so hoch wie eine Truhe und mit weichen, etwas zusammengedrückten Zylindern versehen, also fahrbar.
»Was ist das, Wan?«
»Damit fangen mich die Toten Menschen manchmal«, murmelte er. »Sie benützen das Ding nicht sehr oft. Es ist uralt. Wenn es kaputtgeht, braucht es eine Ewigkeit, um sich wieder zu reparieren.«
Paul betrachtete die Maschine argwöhnisch und wich zurück. »Schalt deine Freunde ein, Wan!«, befahl er.
»Natürlich. Das ist nicht schwer«, prahlte Wan. »Passt genau auf, dann seht ihr, wie das gemacht wird.« Er setzte sich lässig auf den einen unbeschädigten Sessel und starrte die Steuerung stirnrunzelnd an. »Ich hole Tiny Jim«, entschied er und bediente die Anlage. Die Lämpchen an der fleckigen Wand flackerten und glühten, und Wan sagte: »Wach auf, Tiny Jim. Hier ist jemand für dich.«
Stille.
Wan machte ein finsteres Gesicht, blickte über die Schulter auf die anderen und sagte scharf: »Tiny Jim! Sprich sofort mit mir!« Er schob die Lippen vor und spuckte auf die Wand.
Lurvy begriff, woher die Flecken rührten, sagte aber nichts.
Eine müde Stimme sagte über ihren Köpfen: »Hallo, Wan.«
»Schon besser«, erklärte Wan schrill und grinste die anderen an. »Also, Tiny Jim, erzähl meinen Freunden etwas Interessantes, oder ich spuck’ dich wieder an.«
»Ich wäre froh, wenn du etwas respektvoller sein könntest«, sagte die Stimme seufzend, »aber meinetwegen. Mal sehen. Auf dem neunten Planeten des Sterns Saiph gibt es eine alte Zivilisation. Ihre Herrscher sind eine Klasse von Scheißdreckräumern, die Macht ausüben, indem sie die Exkremente nur aus den Häusern jener Bürger entfernen, die ehrlich, fleißig, klug und mit ihren Steuerzahlungen nicht im Verzug sind. An ihrem Hauptfeiertag, dem sie den Namen ›Fest des Hl. Gautama‹ gegeben haben, badet die jüngste Maid jeder Familie in Sonnenblumenöl, nimmt eine Haselnuss zwischen die Zähne und betreibt rituell …«
»Tiny Jim«, unterbrach ihn Wan, »ist das eine wahre Geschichte?«
Pause.
»In übertragenem Sinn«, erklärte Tiny Jim mürrisch.
»Du bist sehr albern«, rügte Wan den Toten Mann, »und du blamierst mich vor meinen Freunden. Pass auf. Hier sind Dorema Herter-Hall, die du Lurvy nennen wirst, und ihre Schwester Janine Herter. Und Paul. Sag guten Tag zu ihnen.«
Lange Pause.
»Sind hier andere lebende menschliche Wesen?«, fragte die Stimme endlich zweifelnd.
»Das habe ich dir doch eben gesagt.«
Wieder eine lange Pause, dann sagte die Stimme traurig: »Adieu, Wan«, und wollte nicht wieder sprechen, gleichgültig, wie laut Wan Befehle erteilte oder wie wütend er an die Wand spuckte.
»Mensch«, knurrte Paul, »ist er immer so?«
»Nein, nicht immer«, sagte Wan schrill. »Aber manchmal ist er noch schlimmer. Soll ich es bei einem anderen für euch versuchen?«
»Sind sie besser?«
»Hm, nein«, gab Wan zu. »Tiny Jim ist noch der Beste.«
Paul schloss vor Verzweiflung die Augen und öffnete sie wieder, um Lurvy anzufunkeln.
»Das ist ja großartig«, sagte er. »Weißt du, was ich langsam glaube? Ich fange an, deinem Vater Recht zu geben. Wir hätten in der Nahrungsfabrik bleiben sollen.«
Lurvy atmete tief ein.
»Das haben wir aber nicht getan«, gab sie zurück. »Wir sind hier. Sehen wir uns erst einmal achtundvierzig Stunden um, und
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