Die Gebrüder Kip
er Walter nur ein einziges Mal gesehen hatte, würde er ihn doch leicht wiedererkennen. Die folgenden Tage mußte er also stets aufmerksam sein, und wenn es Walter nicht gelang, unauffällig ganz in seine Nähe zu kommen, wenigstens immer ein Auge auf ihn haben, um sich auch das leiseste Zeichen nicht entgehen zu lassen. Ließ Walter dann einen Zettel am Stamme eines Baumes fallen, so galt es immer noch die größte Vorsicht, diesen aufzuheben, um seinen Inhalt den beiden Irländern mitteilen zu können.
»Die Sache wird gelingen, schloß er seine Worte, alle Maßnahmen sind aufs beste getroffen. Die Ankunft der ›Illinois‹ kann keinerlei Verdacht erregen. Der Dampfer wird auf der Reede von Hobart-Town ankern, wie ein Schiff, das um Wasser oder Proviant zu fassen eingelaufen ist, und auch wenn es dann durch die Bai wieder auf die hohe See zu gehen sucht, können die Hafenbehörden darin nichts Besonderes finden. Erst draußen, auf freiem Meere aber…
– Werden wir gerettet sein, Farnham, rief O’Brien, gerettet durch dich, der mit uns nach Amerika zurückkehrt…
– O, liebe Brüder, erwiderte Farnham, dann werd’ ich für euch nur getan haben, was auch ihr getan… für Irland getan hättet!«
Eine Woche verging, ohne daß Farnham Walter wiedersah, der jedenfalls in Hobart-Town das Eintreffen des amerikanischen Dampfers abwartete.
Die Gebrüder Kip hörten von Herrn Hawkins zunächst gar nichts mehr. An die Revision ihres Prozesses, von der er ihnen gesprochen hatte, dachten sie freilich ohne Unterlaß, ja sie lebten sozusagen nur noch in dieser Hoffnung, ohne darüber zu grübeln, worauf sich die Revision stützen sollte. Ihre Überzeugung stand jetzt schon fest bezüglich der Rolle, die Flig Balt – und wahrscheinlich Vin Mod, sein Verführer und Anstifter – in dem Trauerspiele von Kerawara gespielt, über den Anteil, den sie an der Ermordung des Kapitäns Harry Gibson gehabt hätten. Die beiden Elenden hatten Hobart-Town aber fast schon seit einem Jahre verlassen, und was aus ihnen geworden sei, konnte kein Mensch sagen.
Wenn Karl Kip sich diese Sachlage vorstellte, an der sich gar nichts ändern zu wollen schien, verfiel er öfters wieder in seine unbesiegbare Ungeduld. Er dachte dann daran, zu entweichen, und schlug seinem Bruder vor, alles zu wagen, um zu entfliehen. Ohne Hilfe von außen war jedoch eine solche Flucht so gut wie unmöglich.
Am 3. Mai waren schon vierzehn Tage verflossen seit der ersten Mitteilung Walters an Farnham. Die beiden Männer hatten sich inzwischen nicht wiedergesehen. Ohne Verzögerungen während der Fahrt, hätte die »Illinois« schon auf der Reede von Hobart-Town aufgetaucht sein müssen, jedenfalls lag sie da aber noch nicht, denn sonst hätten die beiden Irländer wohl schon Nachricht erhalten.
Doch in welcher Herzensangst schwebten sie jetzt immer! Wenn ihre Rotte sich dem Ufer näherte, schweiften ihre Blicke hinaus auf das Wasser, und gierig suchten sie unter den Schiffen vor dem Eingang zur Storm-Bai nach dem, das sie weit von diesem fluchbelasteten Erdenwinkel forttragen sollte.
Jetzt standen sie still und starrten eben nach einem Rauchstreifen, der, vor dem Südostwind dahertreibend, die Annäherung eines Dampfers schon verriet, ehe dieser um die Spitze des Kap Pillar herumkam. Dann erschien der Dampfer und steuerte scharf an der Landspitze vorüber auf die Bai herein.
»Ist er es… ist er es? rief O’Brien wiederholt.
– Vielleicht, antwortete Marcathy, und dann dürften keine achtundvierzig Stunden vergehen, bis Farnham Nachrichten bekäme.«
In Gedanken versanken, blieben sie noch einen Augenblick stehen.
Da rief sie aber die rauhe Stimme des Oberaufsehers schon wieder zur Arbeit, und um jeden Verdacht abzuschneiden, trieb sie auch Farnham drohend dazu an.
Nach Beendigung seines Tagesdienstes verließ dieser die Strafanstalt und begab sich nach der Stadt. Hier irrte er durch die Straßen und am Hafen umher, immer in der Hoffnung auf ein Zusammentreffen mit Walter… vergebens. Jedenfalls erwartete Walter die »Illinois« nicht in Port-Arthur, sondern in Hobart-Town, und dann erschien er in der Nähe der Strafanstalt gewiß erst nach dem Eintreffen des Dampfers, um Farnham die letzten Anweisungen zu übermitteln.
Am Nachmittage des heutigen Tages wurden mehrere Arbeiterrotten – darunter auch die, der die Feniers zugeteilt waren – gegen fünf (engl.) Meilen nach Südwesten hinaus geschickt. Dort wurden am Saume des Waldes viele Bäume
Weitere Kostenlose Bücher