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Die Gedichte

Die Gedichte

Titel: Die Gedichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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mein Gott, wer weiß.
Ich hab mich nie an solcher Last versucht.
Wer weiß erheb ich sie, mein Gott, und dann:

    Nimmst du sie ab, wenn ich sie aufwärts halte
so lange und so hoch ich halten kann:
Nimmst du sie ab, wenn ich sie aufwärts halte?

    Ach in der Kindheit, Gott: wie warst du leicht:
du, den ich jetzt von nirgend wiederbringe.
Man lächelte nach seinem Lieblingsdinge;
es rollte zu: da warst du schon erreicht.
Und nun mein Herr, wo reis’ ich hin zu dir?
Wo fahr ich ein? Auf wasfür Berge steig ich?
Fragt einer dich: nach welcher Stelle zeig ich.
Wo weht dein Hain? Wo geht dein Tier?
Wo ist das Wasser neu, daß ich mir wasche
Gesicht, Geschlecht: ich war noch niemals rein.
Wo wandelst du Geweihtes um in Asche
mit deinem feuerigen Augenschein.
Reizt der Geruch von allen unsern Lastern
nicht deines Zornes Brunst. Was wartest du?
Was machst du nicht die Dringendsten zu Fastern
und schleuderst ihnen erst den Engel zu
wenn sie sich winden unter ihrem Blut?

    Herr, sei nicht gut: sei herrlich; widerleg
das Hörensagen, das sie an dir rühmen:
zerbrich das Haus, zerstör den Steg
und wälz ein Nest von Ungetümen
dem Flüchtling an den Nebenweg.

    Denn so sind wir verkauft an kleine Nöte,
daß alle meinen Jahr um Jahr
wenn einer ihnen beide Hände böte
so wär ein Gott. Du Notnacht voller Röte,
du Feuerschein, du Krieg, du Hunger: töte:
denn du bist unsere Gefahr.

    Erst wenn wir wieder unsern Untergang
in dich verlegen, nicht nur die Bewahrung,
wird alles dein sein: Einsamkeit und Paarung,
die Niederlage und der Überschwang.
Damit entstehe, was du endlich stillst,
mußt du uns überfallen und zerfetzen;
denn nichts vermag so völlig zu verletzen
wie du uns brauchst, wenn du uns retten willst.

    Ach daß der König mich wieder vor sich beföhle:
seiner Schwermut Wucht
preßte Gesänge wie goldene langsame Öle
aus der abgeschlagenen Frucht
meiner jährigen Zeit.
Oder ich wollte, ich stünde wieder und reichte
ihm sein Schwert hinauf in den Streit,
und bliebe zurück, als der Leichte
unter der Herrlichkeit
der beladenen Schlacht.
Oder noch: mir träumte im Schlafe er sende
mich bis ans Ende des Reichs,
um aus dem Harem des äußersten Scheichs
eine Sklavin zu holen.
Und ich brächte durch sternige Nächte
auf dem fürstlich verhängten Kamele
ihre kaumverkörperte Seele,
die er befohlen.

    Oh du bist schön. Wenn auch nicht mir.
Aber du kannst dich nirgends verhalten.
Ich weiß, daß mir deine Augen nicht galten,
aber ich habe mich wie ein Tier
in deine Blicke gelegt. O du bist schön.

    Um die Höhn
deines Leibes kreist
dunkel dein Duft.
Und dein spiegelnder Geist
speist
grundlose Brunnen in dir.
O du bist schön.
Mir ist die Lust
zu Rose und Pfirsich vergangen.
Die Spangen
an deinen Armen sind wärmer.
Ich will keine Vögel mehr fangen.
Ich will ärmer und ärmer
werden für dich: so schön bist du.

    Meine Sinne sind mir zu Einem Sinn
verschmolzen an dir.
Ich spüre nur, daß ich zu dir hin
bin – : nimm. Verlier.

    Wehtag, da sie heulend in dem Hause
heiß sich an die Säulen drängt
aufgerissen und die Augenpause
maskenfaltig und verhängt
von dem Haar an dem sie raufend reißt

    Wehtag, der wie eine Wunde klafft,
hohler wird das Haus von ihrem Heulen,
und sie drängt an alle Porphyrsäulen
aufgerissen ihre Schwangerschaft.
Und sie wirft sich wie ein Innenbrand
aufwärtsschlagend in die Fensternischen
und sie möchte sich mit Haar vermischen
überhängt und unerkannt.
Aber löschte sie sich durch ein Wunder
wirklich unter Haar und Händen aus,
stünde nicht ihr treibender und runder
Leib aus der Unkenntlichkeit hinaus –?

    Langsam ihre treibende Gestalt
weitertragend durch den öffentlichen
Sommergarten, geht sie, durchgestrichen
von den Blicken, wie von Halt zu Halt.
Ihre Haare noch von Vorwurf glatt
zerren ihr Gesicht zurück

    Wie dürfte denn ein Engel, Herr, in dies
Vernachtete und Niezerteilte steigen:
Im Himmel würden alle auf ihn zeigen
und ihn verleugnen: Herr: denn mein Verließ
schlägt Schweigen nieder; nicht der Geigen Schweigen,
Schweigen von Schreien fällt bei mir und ascht
endlos herab aus der Gewölbe Bug.

    Dein Herz sei wie ein Nest im Unerreichten.
Hilf keinem zu der Wildnis deines Baus,
doch manchmal wirf am Morgen einen leichten
neuflüggen Engel in die Himmel aus.

    Denn du, Herr, kannst wohl Sieg geben ohne alle Menge.(Judith 9, 13.)

    Und endete um ihres Mutes willen
aus ihren Festkleidtruhn die Wittibzeit
… …
Gott aber stärkte ihre Armbandsteine
und glänzte selbst an

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