Die Gedichte
ihrem Gold entlang.
Die dichtverschlossene Stadt, mit Durst und Hunger angefüllt, vor der plötzlich Judiths starke erleichterte Stimme anruft in der Nacht. Die Szene auf dem Platz bei den Fackeln, von denen ihr Schmuck flackert: und wie sie das Haupt aus dem Sack zerrt und gegen die Gesichter hält in den Lichtschein.
ENDYMION
In ihm ist Jagd noch. Durch sein Geäder
bricht wie durch Gebüsche das Tier.
Täler bilden sich, waldige Bäder
spiegeln die Hindin, und hinter ihr
hurtigt das Blut des geschlossenen Schläfers,
von des traumig wirren Gewäfers
jähem Wiederzergehn gequält.
Aber die Göttin, die, nievermählt,
Jünglingin über den Nächten der Zeiten
hingeht, die sich selber ergänzte
in den Himmeln und keinen betraf,
neigte sich leise zu seinen Seiten,
und von ihren Schultern erglänzte
plötzlich seine Schale aus Schlaf.
Scharfer Burgbruch, alter Unterkiefer
ausgehenkt aus dem Gebiß der Zeit
… … . .
Wann ist die Zeit, die diese Dinge mindert?
Ich wartete: doch nie zerbrach ein Stein.
Du, der ichs nicht sage, daß ich bei Nacht
weinend liege,
deren Wesen mich müde macht
wie eine Wiege.
Du, die mir nicht sagt, wenn sie wacht
meinetwillen:
wie, wenn wir diese Pracht
ohne zu stillen
in uns ertrügen?
– – – – – –
Sieh dir die Liebenden an,
wenn erst das Bekennen begann,
wie bald sie lügen.
– – – – – –
Du machst mich allein. Dich einzig kann ich vertauschen.
Eine Weile bist dus, dann wieder ist es das Rauschen,
oder es ist ein Duft ohne Rest.
Ach, in den Armen hab ich sie alle verloren,
du nur, du wirst immer wieder geboren:
weil ich niemals dich anhielt, halt ich dich fest.
Und in der Dichte der Brust
trägt er ein strahlendes Herz
an Fremden verwandelnd vorbei.
Sieh, Liebende: sie kommen einzeln fast
herüber durch das blumige Gras und langsam;
so fern ist Trennung ihnen, daß sie sich
den Aufwand tun, sich nicht umfaßt zu halten.
Ach zwischen mir und diesem Vogellaut:
was war verabredet? Ich weiß nicht mehr –,
(ach zwischen mir und diesem Vogellaut)
Nein, nein, der klang nicht nur aus Regennäh,
nicht nur aus Gartenüberfluß, nicht nur
weil andre Vögel gerne Vögel hören.
Sollte jetzt innen ein Gefühl in mir
anheben –? Welches, welches? Übereinkunft,
zu alte Übereinkunft. Ach aus solchem
Vergessenhaben wird die Zeit …
– – – – – – – – – – – – –
Dasein, Beschränkung, was sein und was nicht?
Was heute sein, was morgen und was nie?
Nacht ist, die Brunnen gehen, bist du sie?
Und Sterne stehn, die großen Sterne und
du hast nicht Kraft vor ihrem Hintergrund
dich auszuhalten. [Ach wie willst du sein
wenn du nicht alles sein kannst: dies nicht mehr]
Ach so ungewiß und endlos ohne
Ausdruck ist was uns im Innern ausmacht,
daß uns die zerfallene Fontäne
in dem fast verschmähten Teil des Parkes
manchmal stärkt mit ihrem Dasein. Plötzlich
hülft uns dieser überspülte Steinrand
und der Schalen Haltung und Verhältnis
und der Strahl der immer eine Mitte
kühl und unwillkürlich und von oben
in die Stille stellt.
Florindo: Richter derer, die sich nicht
Müh geben wollen. Liebendster im Geiste:
Eine Sekunde klärt sich dein Gesicht
und scheint ein Herz an. Oh Verzicht,
oh Eigentum, wer fragt noch. Denn das Meiste
ist dies. Gott hat in jenem kurzen Licht
das Herz gesehn und will, daß es sich leiste.
O Kreuzweg meines Munds, o Lippenbinde,
o Flöte, die den Atem mir entzweit.
Ein rarbegangner Pfad, der zwischen Stellen Heide
den Jungwald aufwärts führt zur Hügelschau.
Hier ist kein Ruhm darinnen, daß man leide,
die Blicke gehn, es reicht die Augenweide
und nie sein Nichtsein fürchtend trocknet Tau.
Die starke Stille schwingender Insekten
macht um dein Dasein keinen Unterschied.
Wo sind die Forderungen die dich schreckten?
Dein Herz versammelt sich im Unentdeckten
und in der Zukunft liegt das Lied.
Vom Wegrand ruht der Blick der blauen Rade
auf deinem aufgeschlagenen Vertraun;
in ihrem Sterne sammelt sich die Gnade
und sehnt sich blau in ein Gesicht zu schaun.
O Einfachheit der einstigen Gebreite,
Kartoffelacker, Kleefeld, schmaler Rain,
die Apfelbäume tragen dir zur Seite,
am nächsten Hang erwartet dich die Weite
und alles weilt und will beisammen sein.
NEUE GEDICHTE
Karl und Elisabeth von der Heydt
in Freundschaft
FRÜHER APOLLO
Wie manches Mal durch das noch unbelaubte
Gezweig ein Morgen durchsieht, der schon ganz
im Frühling ist: so ist in seinem Haupte
nichts was verhindern könnte, daß der
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