Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die geheime Reise der Mariposa

Die geheime Reise der Mariposa

Titel: Die geheime Reise der Mariposa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
Vom Netzwerk:
kleinen Punkt, der ein Schiff hätte sein können, das ihnen folgte. Von dorther kamen ein paar Möwen angesegelt, umkreisten die Mariposa eine Weile, merkten, dass es hier nichts zu holen gab, und strichen wieder davon. Eine der Möwen ließ etwas fallen, und erst dachte Jonathan, sie hätte einen erbeuteten Fisch verloren. Doch was er kurz darauf aus dem Wasser fischte, war ein Stück braunen, zotteligen Stoffs. Vermutlich hatte die Möwe gerade erst gemerkt, dass man es nicht essen konnte. Jonathan sah sich das Stoffstück genauer an. Es war kein Stoffstück. Es war ein kleiner alter Teddybär. Ein Bär, den Jonathan kannte. Zuletzt hatte er ihn auf der Isabelita gesehen, bei Waterwegs Gepäck. Dem Bären fehlte etwas. Eine rote Schleife. Sie befand sich in seiner Hosentasche.
    Julias Bär.
    Wie kam er hierher?

Lied der Delfine
    Siehst du uns unter den Wogen liegen?
    Siehst du, wie wir uns im Wasser wiegen?
    Wir sind es, die dich riefen.
    Sieh, wie wir schweben, sieh, wie wir fliegen!
    Wir sind die Vögel der Tiefen.
    Der Sinn dieses Lebens? Ach, frag nicht so viel,
    es ist nur ein Spiel, ist alles ein Spiel.
    Das Leben ist leicht, das Leben ist schön,
    man braucht es nicht zu verstehn.
    Siehst du uns auf den Wogen reiten?
    Jenseits der Zeit und der Gezeiten,
    mitten durch bläuliche Leere?
    Sieh, wie wir kreisen, sieh, wie wir gleiten!
    Wir sind die Tänzer der Meere.
    Die Antwort? Die Wahrheit? Ach, frag nicht so viel,
    es ist nur ein Spiel, ist alles ein Spiel.
    Hörst du uns schnattern? Hörst du uns singen?
    Siehst du uns lachen? Siehst du uns springen?
    Von Lee nach Luv und von Luv nach Lee.
    Wir gaukeln gleich schwimmenden Schmetterlingen.
    Wir sind die Kinder der See.
    Das Ziel? Unser Ziel? Ach, frag nicht so viel …
    Wir haben noch keinem ein Leid getan,
    wir sind die Clowns im Ozean,
    wir sind die Boten vom Horizont,
    wo sich der Mond im Abendlicht sonnt.
    Komm mit uns, komm! Denn angesichts
    dieser Welt ist es besser, du folgst uns ins Nichts.
    Dann fragst du nicht mehr, fragst nicht mehr zu viel,
    dann begreifst du endlich das Spiel.

Mentira y verdad
Lüge und Wahrheit
    J
osé!, sagte die Abuelita. Wach endlich auf! Es ist höchste Zeit! Du hast alles verschlafen, mein Junge: Die Unaussprechlichen haben den Wind stärker gemacht. Die Hand eines Toten hat die Mariposa gelenkt, und an der Horizontlinie hängt ein Schiff, das einen auffallend ähnlichen Kurs segelt wie ihr. Obwohl es nicht das Schiff ist, dessen Taue Jonathan gekappt hat. Und es hat geregnet …
    »Geregnet?«, fragte José laut. Er hörte etwas zuschlagen wie eine Tür oder eine Klappe, ganz nah, und setzte sich abrupt auf. Nein, die Kajütentür stand offen – ein wenig Sonnenlicht fiel auf den Boden und beleuchtete eine einzelne rosafarbene Flamingofeder.
    Der zugehörige Flamingo schien sich draußen zu befinden, denn José sah einen Flamingofuß auf der Treppe. Er stand auf und stieß die Tür ganz auf. Der Flamingo stand tatsächlich auf der untersten Stufe, hatte den langen Hals gestreckt und den Kopf bequem auf die Decksplanken oberhalb der kleinen Treppe gelegt. So befand sich sein Kopf auf Höhe von Carmen, die dort auf dem Fußboden saß. Die beiden sahen aus, als wären sie in ein stummes Zwiegespräch vertieft. Hinter ihnen saß Jonathan am Steuer, auf dem Schoß Oskar, den Pinguin.
    José schüttelte den Kopf. »Ich wache auf und bin in einem wahnsinnigen Zoo«, sagte er.
    Jonathan zuckte zusammen und fuhr hoch. »José«, sagte er. »Ich muss eingenickt sein.«
    »Es hat geregnet«, sagte José, »nicht wahr? Hast du das Wasser in einem Kanister aufgefangen?«
    Jonathan sah ihn an. »Das Wasser … in einem Kanister?«
    »Ja, Wasser.« In José stieg der Ärger auf. »Dieses nasse Zeug, das von oben kommt. Man braucht es zum Überleben. Wir haben ein paar leere Kanister unter Deck. Wenn es regnet, muss man sie füllen. Wer weiß, wann es wieder regnet! Und was macht der Flamingo hier auf der Treppe? Er ist im Weg.«
    »Eduardo«, verbesserte Jonathan ihn. »Er heißt Eduardo.«
    José drängte sich an Eduardo vorbei und ließ sich auf die Bank gegenüber von Jonathan fallen. Er nahm ihm das Steuer ab und sah auf den Kompass. Der Kurs stimmte nicht mehr ganz. Er korrigierte ihn schweigend.
    »José«, sagte Jonathan.
    José sah auf. Jonathan griff über Bord, tauchte eine Hand ins Wasser und fuhr sich damit durchs Gesicht.
    »Weißt du«, fragte Jonathan, »was ich in der letzten Nacht alles getan habe?«
    Erst da

Weitere Kostenlose Bücher