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Die geheime Reise der Mariposa

Die geheime Reise der Mariposa

Titel: Die geheime Reise der Mariposa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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die Röte stieg ihr ins Gesicht.
    José hatte versprochen, sie nicht allein zu lassen. Er teilte die Wachen so ein, dass er stets wach war, wenn Marit schlief, und sie war ihm dankbar dafür. Aber gleichzeitig hatte sie das Gefühl, eine Bürde zu sein. Eine Last.
    Wo war Jonathan, den José so dringend gebraucht hatte? War er in jener stürmischen Nacht gestorben? Marit ertappte sich dabei, wie sie um ihn trauerte, wenn sie allein unter Deck lag und zu schlafen versuchte. Er war gestorben wie alle anderen auch. Wie Papa und Mama und Julia, an die ihre Träume sie ständig erinnerten. Sie schloss die Augen und stand im Hinterhof in Hamburg.
    »Im Holzschuppen?«, hörte sie sich fragen. »Sicher?«
    »Ja«, sagte Julia und zog ungeduldig an Marits Hand. »Ich war mit dir zusammen Holz holen, weißt du nicht mehr? Und da hab ich ihn liegen lassen.«
    »Das war vor zwei Monaten!«, sagte Marit. »Als es noch kalt war! Seitdem waren alle möglichen Leute im Holzschuppen. Meinst du nicht, jemand hätte ihn gefunden?«
    Julia zuckte die Schultern. »Jetzt heizt doch keiner mehr seinen Ofen ein«, sagte sie. »Niemand geht in den Holzschuppen. Vielleicht waren wir damals die Letzten. Komm. Mein Bär friert. Es ist zu windig heute.«
    Marit seufzte. Dass Julias Teddybär einen Strickpullover brauchte, war ja schon kompliziert genug. Dass dieser Strickpullover im Holzschuppen vergessen worden war und gerade jetzt dringend gesucht werden musste, war etwas zu viel. Aber als reichte das nicht, war auch noch ihr Schlüssel zum Schuppen verschwunden.
    Sie klingelten zusammen bei Frau Adam, weil Julia sich angeblich allein nicht traute.
    Frau Adam schüttelte den Kopf. »Nee«, sagte sie. »Den Schuppenschlüssel? Den kann ich auch seit ’ner Zeit nicht finden. Meinst du, kleine Julia, dein Teddybär kann vielleicht seinen Pullover gar nicht leiden und hat deshalb alle Schlüssel versteckt?«
    Julia hob ihren Bären hoch und musterte ihn misstrauisch.
    »Wir fragen den alten Herrn Meier«, entschied sie.
    Aber auch der alte Herr Meier vermisste seinen Schuppenschlüssel.
    »Ist ein Glück, was«, sagte er, »dass man zurzeit kein Holz zum Heizen braucht. So ein mildes Frühjahr …«
    »Vielleicht kann man durchs Schuppenfenster reinklettern«, meinte Julia.
    Marit seufzte. Sie wollte Julia gerade zum Fenster hochheben, damit sie nachsehen konnte, ob es sich öffnen ließ, da kam Mama durch den Hinterhof gerannt.
    »Was wird das?«, rief sie außer Atem. »Ich gucke oben aus dem Fenster und frage mich, was meine Kinder da tun.«
    »Der Pullover!«, rief Julia anklagend. »Von meinem Bären! Der liegt im Schuppen!«
    »Unsinn«, sagte Mama. »Er liegt oben in unserer Wohnung schön ordentlich im Schrank.«
    Aber als sie oben im Schrank nachsahen, war kein Bärenpullover da. Mama fiel plötzlich ein, dass sie ihn wohl in die Wäsche getan hatte, und sie las ihnen weiter aus dem großen Buch über die Galapagosinseln vor, damit der Teddybär vergaß, dass er an diesem speziellen Frühlingstag fror.
    »Wusstet ihr überhaupt«, sagte sie, »dass mein Professor Blumenhaus dieses Buch geschrieben hat? Ich wette, er ist jetzt dort und sucht nach seinem Schmetterling.«
    Am nächsten Tag hing der Teddybärenpullover im Hof auf der Leine, aber Marit kam die ganze Sache komisch vor. Sie ließ sich von Geschichten über Professoren auf Schmetterlingsjagd nicht so leicht ablenken wie Julia. Als Mama einkaufen war, versuchte sie noch einmal allein, durch das Fenster zu klettern. Doch Richard aus dem Nachbarhaus erwischte sie dabei und pflückte sie vom Fenster.
    »Hey, Kleine«, sagte er und setzte sie auf den Boden. »Es ist verboten, durch die Fenster von irgendwelchen Schuppen zu klettern.«
    Sie sah in sein grinsendes Gesicht und schwieg.
    »Ich bin der Blockwart«, sagte Richard. »Ich passe hier auf, schon vergessen?« Er beugte sich zu ihr, sodass seine Lippen ihre Wange berührten. »Und auf dich passe ich ganz besonders auf«, flüsterte er.
    Der Traum verfolgte Marit den ganzen Tag, und vor allem waren es Richards Lippen, die sie verfolgten. Es schüttelte sie, an Richard zu denken. Dennoch hätte José mit einem wie Richard sicher mehr gesprochen als mit ihr.
    An diesem Abend saß der Alte am Steuer. José saß im Bug und rauchte eine von Casafloras Zigaretten. Sie hockte sich neben José, nahm ihm die Zigarette weg, um daran zu ziehen – und musste zu ihrem eigenen Ärger wieder husten.
    »Was soll denn das?«, sagte José

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