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Die geheime Reise der Mariposa

Die geheime Reise der Mariposa

Titel: Die geheime Reise der Mariposa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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entfachen wir im Rachen
    keine tödlicheren Sachen
    als ein leises Lachen.

No tienes hermano
Du hast keinen Bruder
    M
arit schlief nicht die ganze Nacht fest und traumlos. Irgendwann glitt sie hinüber in den Bereich der deutschen Träume, den sie nicht abschütteln konnte. Vielleicht geschah es in dem Moment, als José aufstand und fortging. Sie fiel aus der Schlafschwärze in einen frühen grünen Frühlingstag, noch kalt vom letzten Wind des Winters.
    Sie merkte, dass sie mit einer Gruppe von Leuten außerhalb der Stadt unterwegs war, auf einer schmalen Straße. In den Gärten rechts und links blühten Tulpen und Narzissen. Dann ließen sie die Gärten hinter sich und wanderten auf ein Feld hinaus.
    Sie sah sich um: Da waren Julia und ihre Mutter, Frau Edler aus dem zweiten Stock mit ihren beiden kleinen Kindern, die sie irgendwie in einem einzigen Kinderwagen untergebracht hatte, Frau Adam und Richard mit seiner Mutter. Irgendwo über einem Feld sang hoch in der Luft eine Lerche.
    Und dann wusste Marit es: Sie befanden sich auf einem Osterspaziergang. Es waren noch einige Wochen, bevor sie die Nachricht bekommen würden, dass Papa in Frankreich vermisst war. Und vor der Nacht, in der die Häuser brennen würden.
    »Nächste Ostern sind eure Väter wieder da«, sagte Frau Adam. »Wartet’s nur ab. Nächstes Jahr um diese Zeit ist der Krieg längst Vergangenheit.«
    »Natürlich«, sagte Richard. »Nächstes Jahr um diese Zeit haben wir gesiegt. Dann können wir unseren Osterspaziergang in Paris machen, oder in London.« Er grinste. »Nach Polen hat der Hitler ja schon einen Spaziergang gemacht, was? Wenn du erwachsen bist«, sagte er zu Julia und lachte, »kannst du mit deinen Kindern in Hinterindien spazieren gehen. Das gehört dann alles uns, der ganze Globus, wirst schon sehen.«
    Er lachte wieder, und Julia lachte auch, weil sie noch klein war und nichts begriff.
    Sonst lachte niemand.
    »Sprechen wir nicht vom Krieg«, sagte Mama leise.
    »Sie haben wohl was gegen den Krieg, wie?«, fragte Richard und sah Mama lauernd von der Seite an. »Sie sind wohl nicht dafür, dass wir uns den Raum in der Welt schaffen, der uns zusteht?«
    »Richard, bitte. Es ist Ostern«, sagte Richards Mutter. Sie war eine kleine Frau, viel kleiner als Mama, mit einem freundlichen Gesicht und etwas zu großer Nase. Aus irgendeinem Grund ließ diese Nase sie immer ein wenig verschüchtert wirken.
    Richard schnaubte. »Ja, Ostern!«, sagte er. »Ein durch und durch germanisches Fest. Das ganze verweichlichte Kirchgetue, das hat gar nichts damit zu tun! Das haben sich Leute ausgedacht, die die germanischen Bräuche schwächen wollten. Uns von der Natur entfremden. So ist das nämlich.«
    »Du redest Unsinn«, sagte Marit leise.
    Sie waren alle stehen geblieben. Richard trat ganz nah an Marit heran und sah auf sie hinab. »So? Ist es das?«, fragte er. »Ich werd dir eins sagen: Du und deine Mutter und dein Vater, ihr glaubt, ihr seid so schlau. Nur, weil deine Mutter mal studiert hat. Und dein Vater, der Herr Lehrer – als ob der was wüsste! Gar nichts weiß der. Jetzt muss er kämpfen, jetzt wird er sich wundern. Aber wahrscheinlich kämpft er gar nicht. Wahrscheinlich läuft er weg. Ihr wolltet doch immer schon weglaufen. Auswandern. Stimmt’s nicht? Irgendwelche blöden Schmetterlinge erforschen. Ich habe euch im Hof reden hören.«
    Marit warf ihrer Mutter einen unsicheren Blick zu. War es verboten, über Schmetterlinge zu reden? Man konnte das nicht genau wissen. Neuerdings änderte es sich täglich, worüber man reden durfte.
    »Ich – ich werde eines Tages kämpfen«, sagte Richard. »Vielleicht schon bald. Und ich werde vor niemandem weglaufen. Ich lege sie um, all die Juden und die anderen da draußen … Ich bin nicht so ein Feigling wie die Väter von gewissen anderen Leuten.«
    Mamas Hand schnellte so rasch vor, dass Marit es kaum sah. Sie hörte nur das Klatschen, als die Hand auf Richards Wange landete.
    »Halt jetzt den Mund, Richard«, sagte Mama scharf. »Du weißt überhaupt nicht, wovon du redest. Du verdirbst uns noch das ganze Osterfest.«
    Richard fing einen flehenden Blick von seiner eigenen Mutter auf und verstummte, aber Marit sah, dass er rot angelaufen war vor Wut und Scham. Eine Weile wanderten sie schweigend weiter durch die grüne Vorfrühlingslandschaft. Ihr Grün hatte jetzt etwas Kaltes.
    Und als sie auf einer Wiese den Picknickkorb abstellten, beugte sich Richard beim Auspacken ganz dicht zu Marit,

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