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Die geheime Reise der Mariposa

Die geheime Reise der Mariposa

Titel: Die geheime Reise der Mariposa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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noch über der Schulter dieses Mannes.« …
    Er stand auf und half Marit auf die Beine. Die weite, hügelige Pampa war leer. Da war nur hohes Gras. Keine Gestalten, die jemanden wegtrugen. Marit legte eine Hand auf seinen Arm, eine warme Hand in der kalten Nacht. »Kann es sein«, fragte sie leise, »dass auch du bisweilen dumme Träume träumst?«
    Den Rest der Nacht verbrachten sie am Strand, dicht nebeneinander, als müssten sie sich gegenseitig wärmen. Doch die Kälte, die José spürte, kam von innen. Er hatte ein Stück seines Hemds abgerissen und Marits rechtes Handgelenk an sein linkes gebunden. Er hatte keine Lust, noch einmal aufzuwachen und den Platz neben sich leer vorzufinden. Er wusste nicht mehr, was Traum und was Wirklichkeit war. Die Isla Maldita ließ die Grenzen verschwimmen.
    Vielleicht, dachte er, ehe er einschlief, war es das: Vielleicht war sein Urgroßvater einfach verrückt geworden. Vielleicht gab es gar nichts Besonderes auf dieser Insel – keine herumgeisternden Piraten, keine deutschen Spione. Vielleicht wurde einfach nur jeder hier verrückt. Aber was lag dann an der Stelle verborgen, an der in der Karte das schwarze Kreuz eingezeichnet war?
    Als sie wieder neben José im Sand lag, fragte sich Marit, was sie geträumt hatte. Ihr Traum war unterbrochen worden, und sie wusste, dass sie ihn zu Ende träumen musste. Sie fühlte den Stoffstreifen um ihr Handgelenk und lächelte in der Nacht.
    »Mein dummer Bruder«, flüsterte sie, weil sie wusste, dass er schlief und sie nicht hörte. »Glaubst du, ein Streifen Stoff könnte die Dinge ändern? Die Geschichte wird so enden, wie sie enden soll, und wenn das bedeutet, dass ich in den Busch gehe und dort jemanden treffe, dann werde ich in den Busch gehen und jemanden treffen.«
    Plötzlich wusste sie wieder, was sie geträumt hatte, als José über sie gestolpert war.
    Sie hatte im Hof gestanden, zu Hause … und sie schloss die Augen und stand abermals dort. Sie trug den Küchenabfalleimer, aus dem es nach fauligem Gemüse roch. Es war Abend, ein Abend, nicht lange nach der Sache mit dem Nachtfalter. Im Hof hopste Julia auf und ab und schwang ein Springseil. Sie redete mit jemandem, während sie hopste.
    »Und dann habe ich …« – ein Hopser – »sie wieder gehört, die …« – ein Hopser – »Schritte. So schlurfend …« – ein letzter Hopser – »wie von einem mit einer Eisenkette am Bein.«
    Sie war stehen geblieben und sah zu den Mülltonnen, und da entdeckte Marit die Gestalt, die zwischen den Tonnen an der Mauer lehnte. Richard.
    »So, so«, sagte Richard langsam. »Soo, soo.«
    »Was machst du hier?«, fragte Marit.
    »Ich rede mit deiner kleinen Schwester«, sagte Richard und löste seine lange Gestalt aus dem Schatten. »Was dagegen?«
    »Julia, geh rein und wasch dir die Hände«, sagte Marit. »Wir essen gleich.«
    Julia zog eine Schnute, hopste aber gehorsam ins Haus, und gleich darauf hörte Marit, wie sie die Treppe hinaufrannte.
    »Weißt du, was sie mir erzählt hat?«, fragte Richard und trat noch einen Schritt näher. Nur der stinkende Mülleimer in Marits Armen befand sich noch zwischen ihr und Richard. Sie hielt ihn fest wie einen Schild.
    »In eurem Holzschuppen spukt es.« Richard bemühte sich um ein theatralisches Flüstern.
    »Wenn du Julia fragst, spukt es überall«, antwortete Marit. »Unter ihrem Bett, im Kleiderschrank …«
    »Wollen wir mal nachsehen, ob es im Schuppen wirklich spukt?«, fragte Richard und hielt etwas hoch, über den Mülleimerschild. Einen Schlüssel. Marit erkannte ihn. Es war der Schuppenschlüssel. Mamas Schuppenschlüssel mit dem roten Anhänger.
    »Woher hast du den?«, fragte sie. »Wir suchen ihn seit Tagen.«
    »Gefunden«, antwortete Richard. »Unter der Mülltonne, ganz hinten. Ihr solltet besser darauf aufpassen.« Er ging vorwärts und zwang Marit rückwärtszugehen, auf die Tür des Holzschuppens zu.
    »Kommst du mit?«, flüsterte er. »Ist sicher dunkel dort. Wahrscheinlich hast du zu viel Angst, oder? Dass es wirklich spuken könnte.«
    »Unsinn«, sagte Marit und stellte den Mülleimer ab. »Gib den Schlüssel her.«
    Richard schob sie beiseite, steckte den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn um. Die Schuppentür öffnete sich mit einem rostigen Quietschen nach innen.
    »Na?«, fragte Richard. »Trauste dich da rein?«
    Marit sah seinen abschätzigen Blick, er musterte sie von oben herab, grinsend. Sie wusste, dass sie den Schlüssel aus der Tür ziehen, den Müll

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