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Die geheime Reise der Mariposa

Die geheime Reise der Mariposa

Titel: Die geheime Reise der Mariposa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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Minuten? Eine Stunde? Er hatte jedes Zeitgefühl verloren. Er wusste nur, dass er Marit nicht aus den Augen verlieren durfte. Und plötzlich kam ihm ein beunruhigender Gedanke: Was, wenn sie es gar nicht war?
    Wenn er jemand anders folgte? Jemandem, der gekommen war, damit er ihm folgte?
    José blieb stehen. Der Wald war dicht und undurchdringlich hier. Würde er zurückfinden, wenn er es versuchte? Wie dunkel es war! Er hielt den Atem an und lauschte. Etwas raschelte zu seiner Rechten. Etwas Großes. Es ist nur ein wilder Bulle, dachte José, ein Bulle wie auf Santiago … Er hörte jetzt deutlich Schritte. Menschliche Schritte. Als José weiterging, schienen sich die Schritte parallel zu ihm zu bewegen. Wer immer dort war, wusste er, dass José hier war? José blieb wieder stehen. Und da sah er den Feuerschein. Er tanzte durch die Stämme der Bäume zu seiner Rechten, tanzte jetzt auf ihn zu und verwandelte den Wald in ein bewegliches Schattengebilde. José erkannte nicht, wer das Feuer trug, aber eines war sicher: Es war kein Tier.
    Und diesmal auch keine Schildkröte. Es war ein Mensch. José besaß nichts, um sich zu verteidigen.
    Er drehte sich um, um zu fliehen, da kam ihm aus der anderen Richtung ein ähnlich unstetes Flackern entgegen. Fackeln, dachte er. Sie tragen Fackeln. Aber wer waren sie ?
    Und wo war Marit?
    Hab ich es dir doch gesagt, flüsterte die Abuelita, es ist keine gute Idee, die verfluchte Insel zu betreten. Über die Schildkröten hast du gelacht, ja, aber nun hast du nichts mehr zu lachen, nun ist es aus mit dir …
    Der Feuerschein zur Rechten bewegte sich an José vorbei, und dann rief jemand: »Señor? Ich hab sie! Ich hab sie gefunden!« Es war die Stimme eines Mannes. José hatte sie noch nie gehört. Kurz darauf trafen sich die beiden Fackelträger irgendwo vor ihm im Busch. Er atmete auf. Sie waren an ihm vorbeigegangen, ohne ihn zu bemerken. Jetzt flüsterten sie wieder. Er verstand nur Wortfetzen:
    »… arme Kleine, allein hier zwischen …«
    »… sie nicht gefunden … der Wald ist voller …«
    »… schon früher … auf dem Schiff und …«
    Marit, dachte José. Sie sprechen über Marit.
    »… die Erinnerung«, sagte jetzt eine der beiden Stimmen. »… die Träume … stets die gleiche Nacht … sie sieht die Stadt brennen … dass ihre Schwester tot …« Und dann, zuletzt: »… muss ein Ende haben.«
    Danach entfernten sich die Schritte, begleitet vom Fackelschein. José stand einen Moment wie gelähmt. Woher wussten die dort in der Dunkelheit, wovon Marit träumte? Wer waren sie? Er folgte ihnen zögernd, schlich dem Schattentanz der Äste nach, holte ein Stück auf … und endlich erkannte er wenigstens so etwas wie zwei Schemen: einen kleinen, schmächtigen und einen großen, breitschultrigen. Der große trug eine leblose Gestalt über der Schulter. Verglichen mit seinem hünenhaften Körper wirkte sie winzig und zerbrechlich, als hätte die Nacht sie schrumpfen lassen: Marit. Wie merkwürdig, dachte José. Er hatte die gleiche Situation schon einmal erlebt, nur umgekehrt: im Busch auf Santiago. Damals war er es gewesen, der über der Schulter eines Fremden weggetragen wurde. Und Marit war ihnen gefolgt. Marit hatte Steine geworfen, sie abgelenkt, ihn befreit. Hier gab es keine praktischen Felsen in der Nähe, von denen aus er etwas werfen könnte.
    Wenn er nur gewusst hätte, was mit Marit geschehen war! War sie verletzt?
    Die Männer traten aus dem Wald auf eine freie Fläche hinaus und wateten nun durch hüfthohes Gras wie durch Wasser. José blieb einen Moment zwischen den Bäumen stehen. Schließlich holte er tief Luft und sprintete los. Er würde mit seinen bloßen Händen kämpfen. Er musste es versuchen.
    Er kam nicht weit.
    Nach ein paar Metern stolperte er über etwas, das im hohen Gras lag, und fiel der Länge nach hin, zum zweiten Mal in dieser Nacht. Als er diesmal aufsah, war es keine Riesenschildkröte, die sich über ihn beugte. Es war Marit.
    »José?«, flüsterte sie und blinzelte, eben erst erwacht. »Was … was ist passiert? Wo sind wir?«
    Er öffnete den Mund, doch er war unfähig zu antworten. Er verstand nichts.
    »Bin ich wieder im Schlaf gewandert?«, wisperte Marit. Dann nickte sie und antwortete sich selbst. »Ja, das bin ich wohl. Und du bist mir gefolgt, damit ich nicht in irgendeinen Vulkankrater falle.«
    Da fand José endlich Worte, doch sie ergaben wenig Sinn. »Wie … wie kannst du hier sein?«, flüsterte er. »Du hingst eben

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