Die geheime Waffe
uniformähnliche Kleidung hatte Rechmann verzichtet, da die wallonischen Radikalen so etwas nicht verwendeten. Das letzte Auto war ein alter Toyota, dem in diesem Spiel eine besondere Rolle zugedacht war. Wer sich den Wagen hätte genauer ansehen können, dem wäre unter dem Lenkrad ein ungewöhnliches Gestänge aufgefallen. Zwischen den Füßen des Fahrers stand ein kleiner Elektromotor mit einem daran befestigten Kasten, von dem aus ein Draht zur Antenne des Autos führte, und auf dem Beifahrersitz lag eine Fernsteuerung, mit der normalerweise Modellflugzeuge dirigiert wurden.
Rechmann fuhr seinen Lkw selbst. Während er das Werksgelände verließ, sah er, wie die anderen Lastwagen in verschiedene Richtungen abbogen. Er würde einen Kilometer lang Dunkers Gefährt folgen und dann ebenfalls eine eigene Strecke nehmen.
Selbstzufrieden wandte er sich an Jef van der Bovenkant, der auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte. »Jetzt sind wir mittendrin! Junge, mach deine Sache gut!«
Der Flame nickte, brachte aber kein Wort heraus. In Gedanken wiederholte er noch einmal die französischen Kommandos, die er rufen sollte, und hatte dabei das Gefühl, als würde er diese Sprache bei jedem Wort mehr verlernen.
SECHS
E s war für Karl Jasten nicht einfach, dem Güterzug auf der Spur zu bleiben, da die Bahnstrecke nur abschnittsweise neben einer Autostraße verlief. Aber er kam jeweils rechtzeitig genug bei den Bahnhöfen in Welkenraedt, Limbourg, Verviers und Pepinster an, um den Zug dort passieren zu sehen. Auch in Lüttich gab es keine Probleme. Als der Zug schließlich Awans hinter sich ließ, stieg Jastens Anspannung auf ein kaum mehr erträgliches Maß.
Da hinter Awans eine Straße in der Nähe der Bahnlinie in die gleiche Richtung führte, konnte er den Zug im Auge behalten. Beim Fahren schnappte er sich das Handy und rief Rechmann an. »Wir sind gleich so weit!«
»Wo bist du?«, fragte Rechmann.
»In Fexhe-le-Haut-Clocher!« Jasten verbog sich beinahe die Zunge bei dem fremdartigen Namen.
»Gut. Du kannst heimfahren!« Rechmann schaltete das Handy aus und tippte eine Nummer ein.
»Ja«, meldete sich ein Flame aus Zwengels Truppe, der von seinen Kameraden Peer, der Rammbock gerufen wurde.
»Start!« Rechmann sagte nur dieses eine Wort und trat aufs Gas. Sein Kranwagen und die anderen Fahrzeuge hatten sich auf dem Autobahnparkplatz bei Waremme getroffen und fuhren nun in einer langen Reihe los. Auf dieser Strecke hätte es einige Möglichkeiten gegeben, den Zug zu überfallen, doch die meisten davon befanden sich in Ortschaften oder zu nahe an der Autobahn. Daher hatte Rechmann sich entschlossen, seinen Coup ein Stück östlich von Remicourt durchzuführen.
Dort parkte bereits der präparierte Toyota unweit der Bahnunterführung. Peer, der den Toyota gefahren hatte, wanderte den Bahndamm entlang in die Richtung, aus der der Zug kommen musste. Nach einer Weile stieg er den Damm hoch und
sah sich um. Die Straße hinter ihm war leer. Von der anderen Seite näherte sich ein Traktor der Unterführung.
Er machte eine wegwerfende Handbewegung und zog die Fernsteuerung aus seiner Jackentasche. Als er sie einschaltete, setzte sich der Toyota ruckartig in Bewegung und rollte auf die Unterführung zu. Der Mann lenkte das Auto genau unter die Gleise, wartete noch ein paar Sekunden und drückte den Knopf, den Rechmann mit einem Farbstift markiert hatte.
Ein roter Feuerball flammte in der Unterführung auf, dann hallte der Knall wie ein Donnerschlag über das Land. Staub und Dreck wirbelten hoch und verdeckten die Sicht. Trotzdem war Peer überzeugt, dass die Unterführung schwer beschädigt, wenn nicht sogar ganz zerstört worden war.
Nun rannte er los, stieg auf die Gleise und winkte mit beiden Armen, um den Lokführer des herankommenden Zuges auf sich aufmerksam zu machen. Dieser hatte bereits die Explosionswolke in der Ferne bemerkt und sein Tempo verringert. Wenige Schritte vor dem Attentäter hielt der Zug schließlich an. Der Lokführer öffnete die Tür und sah heraus. »Was ist da vorne passiert?«
»Ein Auto ist gegen die Mauer der Unterführung geknallt und explodiert. Ich weiß nicht, ob es auch die Gleise erwischt hat«, antwortete Peer in stockendem Französisch.
»Was ist denn hier los?« Der Mann, der jetzt von hinten herankam, sprach ein besseres Französisch, allerdings mit einem deutschen Akzent.
»Da war ein Unfall«, erklärte der Attentäter und sah aus den Augenwinkeln die Lastwagen und die
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