Die geheime Waffe
würden sie sich wirkungsvoller gegen einen Angriff schützen können. Allerdings war die Unterkunft nicht gerade eine Luxussuite. Sie lag am Ende des Flurs im dritten Stock und enthielt nur wenig mehr als zwei unbequeme Pritschen. Das Fenster war vergittert, und die Tür ließ sich nicht versperren. Letzteres machte Torsten kein Kopfzerbrechen. Kurzerhand stellte er den einzigen Stuhl in der Kammer so unter die Klinke, dass diese nicht niedergedrückt werden konnte. Das war zwar kein dauerhafter Schutz, aber wenn jemand eindringen wollte, würde genug Lärm entstehen, um sie zu wecken.
Er kontrollierte noch einmal seine Sphinx AT2000 und legte sie ans Kopfende des Bettes. Dann sah er Henriette auffordernd an. »Sie sollten Ihre Artillerie ebenfalls griffbereit halten, Leutnant, für den Fall, dass wir nächtlichen Besuch bekommen.«
Seine Begleiterin nickte mit verkniffener Miene, wirkte aber so entschlossen, dass er sich fragte, ob sie sich mit einem oder zwei Warnschüssen zufriedengeben oder gleich auf mögliche Eindringlinge schießen würde. Er überlegte, ob er sie darauf ansprechen sollte, zuckte dann aber mit den Achseln. So wie er die Kerle kannte, gaben die erst auf, wenn ein paar von ihnen verletzt waren. Da er Leutnant von Tarow zutraute, dass sie nicht auf Tote aus war, wandte er sich näherliegenden Dingen zu.
»Wie ist es mit Zähneputzen und Ähnlichem? Wir haben hier nur die Toilette und ein kleines Waschbecken. Zur Gemeinschaftsdusche zu gehen und dabei in der einen Hand die Zahnbürste und in der anderen die Pistole zu halten habe ich wenig Lust.«
»Ich auch nicht. Es gibt hier zwar nur kaltes Wasser, aber das muss fürs Erste reichen. Sie können sich ja umdrehen, wenn ich mich wasche, und besonders dann, wenn ich die Toilette benutze!« Henriette bedachte die Kloschüssel, die ohne
Abtrennung in einer Ecke des Raumes stand, mit einem vernichtenden Blick.
Torsten gefiel diese Anordnung ebenso wenig. »Wie es aussieht, haben die Kreise, die in diesem Bau das Sagen haben, die Hütte sehr schlicht eingerichtet, um zu verhindern, dass sich die falschen Leute zur Ausbildung hierherschicken lassen.«
»Den meisten dürfte es hier zu spartanisch sein.«
»Wer putzt sich als Erster die Zähne, Sie oder ich?«, fragte sie.
»Sie! Ich schalte inzwischen meinen Laptop ein.« Torsten setzte sich so auf seine Pritsche, dass er dem Waschbecken den Rücken zukehrte, und öffnete den Reißverschluss seiner Computertasche. Er hörte, wie seine Begleiterin den Wasserhahn aufdrehte, sich die Zähne putzte und schließlich wusch. Dabei reizte es ihn, sich umzudrehen und zu schauen, wie weit Leutnant von Tarow sich entblättert hatte. Sie war ein hübsches, kleines Ding, mit dem er unter anderen Umständen gerne geflirtet hätte. Außerdem hatte sie sich auf dieser Reise als gute Kameradin erwiesen. Aber da sie ihn aufgefordert hatte, ihr beim Waschen den Rücken zuzukehren, wollte er sie nicht enttäuschen. Daher las er seine Mails und suchte im Internet nach Seiten, die ihm Auskunft über diese angebliche Militärschule geben konnten.
Es gab etliche Texte darüber, manche sogar von erstaunlicher Offenheit. Ein Kursteilnehmer lobte ausdrücklich, dass niederländische und flämische Patrioten an diesem Ort unter sich sein konnten. Immer mehr kam Torsten zu der Überzeugung, dass es sich bei dieser Einrichtung um eine nationalistische Kaderschmiede handelte. Doch was war der Sinn dieser Schule? Auch in anderen Armeen versuchten Mitglieder der rechten Szene Karriere zu machen, aber sie taten es im Geheimen. Jemand, der diese Schule absolviert hatte, war jedoch als Rechtsradikaler abgestempelt, und die entsprechenden Stellen wussten, wes Geistes Kind er sein musste.
»Sie können jetzt ran!«
Der Ausruf seiner Begleiterin beendete Torstens Überlegungen. Er schaltete den Laptop ab und verstaute ihn. Als er mit entblößtem Oberkörper vor dem Waschbecken stand, musterte Henriette ihn verstohlen und entdeckte die Spuren von Schussverletzungen, die durch kosmetische Operationen fast unkenntlich gemacht worden waren.
Ihre Bewunderung für ihren Ausbilder stieg. Renk war wirklich ein Held. Umso trauriger stimmte sie sein persönliches Schicksal. Es musste schwer für ihn gewesen sein, seine Partnerin durch ein Verbrechen zu verlieren. Gerne hätte sie mehr darüber erfahren, aber sie traute sich nicht, ihn zu fragen.
Da sie ihn nicht offen anstarren wollte, kehrte sie ihm den Rücken. Lust, ihren Laptop
Weitere Kostenlose Bücher