Die Geheimnisse der Patricia Vanhelsing
des Jenning-Hauses.
Ein hochgewachsener, hagerer Mann mit eisgrauen Augen öffnete mir. Er trug die Uniform eines Butlers. Die Handschuhe, die er trug, waren sicher irgendwann blütenweiß
gewesen. Jetzt waren sie grau.
"Guten Tag, was wünschen Sie?", fragte der Butler etwas mürrisch.
"Ich bin Patricia Vanhelsing von den LONDON EXPRESS NEWS und möchte zu Professor Jennings..."
"Tut mir leid, aber Mr. Jennings empfängt keine Gäste."
"Ich möchte ihn zu den Vorfällen bei der Kultstätte von SixStones befragen und..."
"Leben Sie wohl!"
"...zu den ERBEN DER DRUIDEN!"
Er war drauf und dran gewesen, die Tür wieder zu schließen. Aber jetzt hielt er mitten in der Bewegung inne. Seine grauen Augen musterten mich falkengleich.
"Fragen Sie Professor Jennings, ob ich nicht doch mit ihm reden kann", sagte ich. "Sagen Sie ihm, es geht um den Namenlosen Abt... Und vielleicht auch um ein Buch."
"Was?"
Ein Ruck ging durch den Körper des Butlers.
"Meredvoyi dragach", flüsterte ich. "Kennen Sie die Bedeutung dieser Worte?"
Ich selbst hatte keine Ahnung. Aber ich wusste, dass diese Worte in jener Zeremonie eine Rolle gespielt hatten, in deren Verlauf es an der Kultstätte von SixStones zur Katastrophe gekommen war. An der Reaktion meines Gegenübers konnte ich sehen, dass mein Versuchsballon sein Ziel erreicht hatte. Der Butler musterte mich mit einem etwas verwirrten Gesichtsausdruck.
"Kommen Sie rein, Madam", forderte er mich dann auf. Ich folgte ihm in die Eingangshalle. Der Butler deutete auf eine zierliche Sitzgruppe, die aussah, als würde sie aus sehr wertvollen Antiquitäten bestehen.
"Warten Sie hier, Madam", forderte er mich dann auf. Ohne mich noch eines Blickes zu würdigen, ließ er mich stehen.
Es dauerte ein paar Minuten, ehe er zurückkehrte. Ich nutzte die Gelegenheit, um mir die großformatigen Landschaftsbilder anzuschauen, die die grauen Steinwände zierten. Der Maler, der sie geschaffen hatte, war nicht besonders begabt. Als ich etwas näher an eines der Werke herantrat, konnte ich an der Signatur sehen, dass es sich offenbar um Gemälde des Hausherrn selbst handelte. Ein einziges Thema schien ihn geradezu gefesselt zu haben, denn es war in meisten Bildern in irgendeiner Form verarbeitet worden.
Die sechs Steine von SixStones , ging es mir durch den Kopf. Immer hatte Jennings sie irgendwie in das Bild hineinkomponiert. Und im Gegensatz zur Darstellung seiner Personen und der übrigen Landschaft, war er beim Malen der Steine äußerst sorgfältig gewesen. Die charakteristischen Formen dieser Findlinge waren so haargenau getroffen, dass sie bei mir ein beklemmendes Gefühl verursachten.
"Sie wollen mich sprechen?", fragte eine sonore Männerstimme. Ich blickte mich um und blickte in zwei freundliche blaue Augen.
"Sie sind Professor Jennings, wie ich annehme."
"Der bin ich. Um ehrlich zu sein, stehe ich der Presse sehr kritisch gegenüber, Miss..."
"Vanhelsing."
Er atmete tief durch und musterte mich eingehend. Außer einem grauen Haarkranz und einem gepflegten Knebelbart, hatte Symon Jennings keine Haare mehr auf dem Kopf. Trotz der unverkennbaren Zeichen des Alters, wirkte er keinesfalls wie ein Greis.
"Sie leiten eine Gruppe von Okkultisten, die sich ERBEN DER DRUIDEN nennt", erklärte ich. "Das entspricht doch der Wahrheit..."
"Warum wollen Sie das wissen?"
Sein Gesicht wirkte jetzt eisig. Die blauen Augen funkelten und die joviale Freundlichkeit, die gerade noch von ihm ausgegangen war, war von einem Augenblick zum Nächsten wie weggeblasen.
"Es geht um die Todesfälle bei den sechs Steinen..." Jennings schluckte.
"Sie scheinen eine Menge darüber zu wissen", zischte er zwischen den Zähnen hindurch.
"Meredvoyi dragach - diese Worte gehörten zu den Beschwörungsformeln, die in jener Nacht des Todes benutzt wurden", erklärte ich. Ich las die Überraschung in seinen Zügen. Er starrte mich fassungslos an, so als hätte er ein Gespenst vor sich gehabt.
"Waren Sie vielleicht dabei - in jener Nacht?", stieß er dann vollends verwirrt hervor.
"Nein, das nicht. Ich weiß nur, was geschehen ist. Das ist alles. Sie und ihre Anhänger haben versucht den Namenlosen Abt zu beschwören. Seinen Geist oder irgend etwas anderes, was von diesem Mönch übriggeblieben ist, der inmitten der sechs Steine vor achthundert Jahren vom Blitz erschlagen wurde!"
"Nein...", murmelte er. Aber sein Widerstand war schwach. Er blickte mich auf eine Weise an, die mich frösteln ließ. Qual sprach aus
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