Die Geheimnisse der Therapeuten
Das Kleinkind erlebt sehr schnell, dass es gehauen wird, wenn es seinem Kameraden ein Spielzeug wegnimmt, und sich die Finger einklemmt, wenn es sie in den Türspalt steckt. Eltern benutzen diese Strafen seit grauer Vorzeit. Sie haben den Vorteil, einer unerträglichen Situation sehr schnell Einhalt zu gebieten, aber sie haben keinen nachhaltigen Lerneffekt.
Mit Fingerspitzengefühl benutzen
Die Bestrafung tut demjenigen gut, der sie austeilt, und macht einer dringlichen Situation schnell ein Ende. Doch sollte sie nur Situationen extremer Spannung oder dem Fall einer unmittelbaren Gefahr für das Kind vorbehalten bleiben.
Sie muss sehr sparsam verwendet werden, wenn man will, dass sie auch für die Zukunft wirksam bleibt.
Die Kehrseite der traditionellen Bestrafung besteht darin, dass sie keine langfristige Verhaltensänderung beim Kind bewirkt. Alle Eltern wissen es: Auch wenn man ein Kind straft oder tadelt, wird es seine Dummheiten ein paar Stunden oder Tage später dennoch wiederholen. Missbrauchen Sie diese Methode niemals. In ihr steckt ein hohes Gewöhnungsrisiko.
Dritte Lösung: Drohungen
Die Drohung zielt darauf ab, die Wiederkehr des unerwünschten Verhaltens zu verhindern, indem man das Kind vor den Folgen seiner Taten warnt. So kennt es Ihre Erwartungen und Ihre Reaktion im Fall einer Zuwiderhandlung. Die Drohung legt die Grenzen fest, die es nicht überschreiten darf. Sie dient also der Prävention. Der Gebrauch von Drohungen ist nur wirksam, wenn Sie die Bedingungen Ihres Vertrags respektieren.
Drohen Sie nie etwas an, was Sie nicht tun werden.
Sie können davon ausgehen, dass Ihre Kinder ausprobieren werden, ob Sie bereit sind, Ihre Drohung wahrzumachen. Sie werden Ihre Glaubwürdigkeit testen, und Sie werden nicht umhinkommen, das Druckmittel wirklich einzusetzen, auch wenn Sie keine Lust dazu haben. Nur um diesen Preis werden Ihre Kinder Ihre ErziehungsmaÃnahmen respektieren.
Drohen Sie daher nie etwas an, was Sie nicht tun werden oder was sich nicht umsetzen lässt.
Abschluss
Ich hoffe, dass ich Sie auf diesen letzten Seiten davon überzeugen konnte, dass ich es ernst meine, wenn ich schreibe, dass ich stolz â und in Ãbereinstimmung mit mir selbst â bin, einen Beitrag in diesem kollektiven Buch über die »Geheimnisse der Therapeuten« schreiben zu dürfen. Seit über zehn Jahren folge ich den hier beschriebenen Methoden, und die Eltern, die meine Bücher lesen, finden darin Mittel, mit deren Hilfe sie die so wertvolle Zusammenarbeit herstellen können, um meine Arbeit zu unterstützen, die ich bei ihren leidenden Kindern leisten muss. Es ist Ihre Aufgabe, liebe Eltern, das Eskalieren der Symptome zu stoppen, die den Familienzusammenhalt zerstören. Es ist meine Aufgabe, direkter, vertraulicher und aktiver an den Ursprüngen der Störung des Kindes zu arbeiten. Das Kind ist dann nicht einem Loyalitätskonflikt ausgesetzt, sondern umgeben von Erwachsenen, die ihr Wissen und ihre Kenntnisse kombinieren, damit es den Weg seines Wohlbefindens findet.
16 â Gérard Macqueron
Zuhören lernen, bevor man handelt
Im Laufe meiner täglichen Arbeit mit Patienten als Psychiater und Psychotherapeut ist mir eine bestimmte Art und Weise der Beziehung bewusst geworden, die mich zu einer neuen Auffassung des Verhältnisses zu anderen in meinem persönlichen Leben geführt hat. Darum soll es im Folgenden gehen.
Was heiÃt zuhören?
Im Rahmen meines Medizinstudiums lernte ich, präzise Diagnosen zu stellen, um Patienten zu behandeln, wenn nicht sogar zu heilen, indem ich sie von der Krankheit, an der sie litten, befreite. Das hatte zur Folge, dass mir meine Funktion bei Patienten, die im Sterben lagen, oder Menschen, die eine schwere, irreversible Behinderung hatten, sinnlos erschien. Es gab buchstäblich »nichts zu tun«, da der Verlauf eindeutig und unumkehrbar war. Bei dieser Gelegenheit begriff ich, dass meine Gegenwart trotzdem wichtig war, auch wenn ich »nichts« tun konnte, um die verhängnisvolle Entwicklung aufzuhalten. Dieses »Nichts« war in Wirklichkeit eine Begleitung und Unterstützung, die im Wesentlichen in mitfühlendem und tröstendem Zuhören bestand.
Wenn das Bessere zum Feind des Guten wird
In meiner Praxis als Psychotherapeut stellte ich später fest, dass das medizinische Vorgehen, das eigentlich dem Wohle des Patienten dient und darauf abzielt, die
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