Die Geheimnisse der Therapeuten
persönliche Erinnerungen verschweigen oder eine bittere Wahrheit verbergen, all das führt zu einem Glaubwürdigkeitsverlust, begünstigt Familiengeheimnisse und die Entwicklung von Tabuthemen und verhindert schlieÃlich, dass man frei miteinander spricht. Und wenn die Gedanken nicht mehr frei ausgesprochen werden, schweigt jeder und zieht sich in sich selbst zurück. Man wird zu Fremden, die zusammenleben.
Alles sagen wollen, damit nichts verborgen bleibt
Umgekehrt nehmen manche Menschen, die in ihrer Kindheit unter belastenden Familiengeheimnissen, wenig fürsorglichen oder verlässlichen Eltern sowie mangelnder Zuneigung und Rücksichtnahme gelitten haben, manchmal das entgegengesetzte Verhalten ein, indem sie sich ihren Angehörigen, insbesondere ihren Kindern, vorbehaltlos anvertrauen. Sie möchten auf diese Weise total offene Beziehungen herstellen, damit jeder alles weià und nichts im Verborgenen bleibt. Aber damit missachten sie die psychischen Grenzen und die Intimsphäre ihres Gegenübers; sie kümmern sich nicht darum, was der andere verkraften kann, noch um die eventuelle emotionale Wirkung ihrer Enthüllungen. Das Kind ist kein Mülleimer, bei dem wir unsere Emotionen und unser Leiden abladen oder unsere privatesten Fantasien loswerden können. Das Kind ist nicht dazu da, um unsere Ãngste zu tragen, unsere Intimsphäre zu kennen, Entscheidungen zu treffen, die unsere sind, oder an unserer Stelle zu leben, als ob es sich mit uns verwechseln würde. Zu lernen, nicht zu viel zu sagen, heiÃt die Existenz einer Bindung anzuerkennen, die uns gleichzeitig vereint und voneinander unterscheidet. Es heiÃt, die Grenzen des anderen und seine Privatsphäre zu respektieren und ihm unsere Aufmerksamkeit zu schenken, ihn als eigenständiges Wesen und als verschieden von uns zu betrachten.
Nicht alles zu sagen wahrt gewissermaÃen die Privatsphäre jedes Beteiligten.
Nicht alles zu sagen erlaubt, die Kommunikation zu steuern, und wahrt gewissermaÃen die Privatsphäre jedes Beteiligten. Diese Haltung unterscheidet sich von der »Verschlossenheit«, bei der man verschweigt, was gesagt werden müsste, um eine Situation zu klären und damit dem anderen zu ermöglichen, sie anders zu begreifen und besser zu verstehen.
Konflikte vermeiden, um eine harmonische Beziehung zu wahren
Die Angst vor dem Konflikt und seinen eingebildeten und befürchteten Folgen führt manchmal dazu, dass Menschen Gefühle unterdrücken und sich zusammenreiÃen. Da sie »kein Theater machen« wollen oder Angst haben, mit den eigenen Emotionen oder der Reaktion des Gegenübers nicht umgehen zu können, tragen sie Groll, Bitterkeit, Neid und Wut mit sich herum. Diese passive und resignative Haltung führt regelmäÃig zu einer Schieflage in der Beziehung, in der einer das Opfer und der andere der Täter ist. Aber die Resigna tion schadet der inneren Entfaltung, erstickt die Kreativität und erlaubt nicht, eine ausgewogene Beziehung aufzubauen. Konflikte aus Angst vor einem Bruch zu vermeiden heiÃt, nicht anzuerkennen, dass der andere anders denken, handeln, fühlen, mit anderen Worten anders leben kann und dass die Beziehung dennoch immer möglich ist.
Der Konflikt zeigt nicht das Ende einer Beziehung an, selbst wenn er zunächst das affektive Gleichgewicht destabilisieren oder in Gefahr bringen kann und kontraproduktiv erscheinen mag. Konflikte sind eine Möglichkeit, die man in Beziehungen akzeptieren muss; diese sind von Natur aus dynamisch. Jeder hat seine eigenen Wünsche, behauptet seine Bedürfnisse, trifft seine eigenen Entscheidungen und nimmt seinen Platz ein.
Indem man Konflikte systematisch vermeidet, hört man im Ãbrigen auf, Grenzen und Regeln zu fordern. Man widersetzt sich nicht mehr den vielen Wünschen des anderen, der in der Illusion lebt, dass er alles bekommen kann, dass er allmächtig ist. Für das Individuum ist Autorität ein Schutz, sind Grenzen eine Struktur. Es lernt auf diese Weise, sich mit einer Realität, die nicht nach seinen Wünschen funktioniert, zu konfrontieren.
Jedes Unglück bei denen ausschalten, die man liebt
Wir leben in einer Gesellschaft, die keine Form von menschlichem Leiden, worin auch immer es besteht, ertragen kann, ganz so, als müssten wir in einem Zustand des permanenten Wohlbefindens leben. Wenn ein Angehöriger leidet, suchen wir natürlich nach einem
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