Die geheimnißvolle Insel
Schlacken vermischt, als daß sie einen helleren Schein hätten geben können. Doch lag ein fahler Glanz auf den waldigen Theilen der Insel. Weitverbreitete Rauchwirbel wälzten sich am Himmel hin, an dem da und dort einzelne Sterne blinkten.
»Die Fortschritte sind rapid! sagte der Ingenieur.
– Das ist nicht zu verwundern, meinte der Reporter. Das Erwachen des Vulkans datirt schon von geraumer Zeit her. Sie erinnern sich, Cyrus, daß die ersten Dünste sichtbar wurden, als wir die Ausläufer des Franklin-Berges nach dem Zufluchtsorte des Kapitän Nemo durchsuchten. Das war, wenn ich nicht irre, am 15. October.
– Ja! antwortete Harbert, wenigstens seitdem wir ihn fanden, und das ist nun zweiundeinenhalben Monat her!
– Die unterirdischen Feuer haben also zehn Wochen lang gebrütet, fuhr Gedeon Spilett fort, und es ist nicht erstaunlich, daß sie jetzt mit solcher Heftigkeit ausbrechen.
– Fühlen Sie nicht manchmal ein gewisses Erzittern des Bodens? fragte Cyrus Smith.
– Gewiß, antwortete Gedeon Spilett, aber von da bis zu einem Erdbeben …
– Ich behaupte nicht, daß wir von einem Erdbeben bedroht wären, erwiderte Cyrus Smith, und davor möge uns Gott behüten! Nein, diese Vibrationen rühren nur von dem innern Feuer her. Die Erdrinde ist ja nichts Anderes, als die Wand eines Dampfkessels, und Sie wissen, daß eine Kesselwand unter dem Drucke der Dämpfe wie eine tönende Platte erzittert. Diese Erscheinung ist es, welche wir eben jetzt bemerken.
– O, die prächtigen Feuergarben!« rief Harbert.
In diesem Augenblicke sprang aus dem Krater ein wahres Feuerwerk auf, dessen Glanz die Dämpfe nicht zu trüben vermochten. Tausend glühende Stücke und leuchtende Punkte flogen nach allen Richtungen auseinander. Einige derselben drangen bis über die Rauchhaube hinaus, zerrissen dieselbe und ließen einen wahrhaften Feuerstaub zurück. Dieser Ausbruch war von aufeinander folgenden Detonationen, wie etwa beim Abfeuern einer Mitrailleuse, begleitet.
Cyrus Smith, der Reporter und der junge Mann begaben sich, nachdem sie eine Stunde lang auf dem Plateau verweilt, nach dem Strande und in im Granithaus zurück. Der Ingenieur war nachdenklich, selbst besorgt, so daß sich Gedeon Spilett zu der Frage veranlaßt sah, ob er eine directe oder indirecte Gefahr von einer bevorstehenden Eruption befürchte.
»Ja und nein, antwortete Cyrus Smith.
– Das Schlimmste, was uns widerfahren könnte, fuhr der Reporter fort, wäre doch wohl eine Erderschütterung, welche die Insel zerstörte? Doch glaube ich nicht, daß wir eine solche zu fürchten haben, da die Laven einen freien Ausgang finden.
– Auch ich fürchte ein Erdbeben im gewöhnlichen Sinne nicht, antwortete Cyrus Smith; doch andere Ursachen können uns noch größeres Unheil bereiten.
– Und welche, lieber Cyrus?
– Das weiß ich jetzt noch nicht bestimmt … ich muß mich überzeugen … muß den Berg untersuchen … Nach wenig Tagen werde ich darüber klar sein.«
Gedeon Spilett forschte nicht weiter, und bald lagen die Bewohner des Granithauses trotz der Detonationen des Vulkans, welche an Heftigkeit zunahmen und das Echo der Insel wach riefen, in tiefem Schlummer.
Drei Tage verliefen so. Man arbeitete immer an der Herrichtung des Schiffes, und ohne sich weiter auszusprechen, betrieb der Ingenieur die Arbeit nach Kräften. Der Franklin-Berg war jetzt von einer dunkeln, unheilverkündenden Haube verhüllt und warf Flammen und glühende Felsstücke aus, die zum Theil in den Krater zurückstürzten. Das veranlaßte Pencroff, der die Naturerscheinung immer nur von ihrer amüsanten Seite betrachtete, zu den Worten:
»Sieh da, der große Kerl spielt mit Bällen! Der Riese ist Jongleur geworden!«
In der That fielen die ausgeworfenen Massen meist in den Abgrund zurück, und es schien nicht, als wären die Lavamassen durch den Druck im Innern schon bis zu dem Rande des Kraters emporgehoben. Wenigstens floß aus der zum Theil sichtbaren Lücke der Mündung im Norden noch nichts nach dem Abhange des Berges aus.
So viel Eile es aber auch mit dem Baue des Schiffes hatte, so nahmen doch auch andere Punkte der Insel die Sorge der Colonisten in Anspruch. Vor Allem mußte man nach der Hürde gehen, in der die Schaf-und Ziegenheerde eingeschlossen war, und deren Futtervorräthe erneuern. Man beschloß also, daß Ayrton sich am andern Tage, am 7. Januar, dorthin begeben sollte, und da er zu dieser gewohnten Besorgung allein genügte, erstaunten Pencroff und
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