Die geheimnißvolle Insel
sie nicht ohne Grund beunruhigt hatte, zu erkennen.
»Dieses Feuer, sagte er, oder vielmehr diesen Rauch unterhält ganz allein die Natur. Er rührt nur von einer Schwefelquelle her, welche uns Gelegenheit geben wird, Krankheiten der Athmungsorgane sehr erfolgreich zu behandeln.
– Schön! sagte Pencroff. Aber welches Unglück, daß ich nicht gerade einen Katarrh habe!«
Die Colonisten näherten sich der Stelle, von welcher der Rauch aufstieg und fanden einen alkalischen Schwefelquell, der ziemlich wasserreich zwischen dem Gestein dahinfloß und einen durchdringenden Geruch nach Schwefelwasserstoff ausströmte.
Cyrus Smith tauchte seine Hand ein und fand das Wasser etwas ölig, und als er es kostete, von süßlichem Geschmack. Seine Temperatur schätzte er auf 37° C. Harbert fragte ihn, worauf er dieses Urtheil gründe.
»Sehr einfach darauf, mein Sohn, daß ich beim Eintauchen der Hand weder eine Empfindung von Wärme, noch von Kälte hatte. Darnach entsprach jene Temperatur der des menschlichen Körpers, welche 37° C. beträgt. 2 «
Da die Schwefelquelle ihnen keinen augenblicklichen Nutzen bot, so wandten sich die Colonisten nach dem Saume des dichten Waldes, der sich einige hundert Schritte vor ihnen hinzog.
Dort plätscherte, wie man vorausgesehen hatte, der Fluß mit munteren, klaren Wellen zwischen hohen röthlichen Ufern, deren Farbe das Vorhandensein von Eisenoxyd verrieth, lustig dahin. Nach eben dieser auffallenden Färbung nannte man ihn sofort den »Rothen Fluß«.
Eigentlich bildete er nur einen breiten, tiefen und klaren Bach, der aus den Bergwässern genährt, halb als Sturzbach, halb als ruhiges Flüßchen hier ruhig über den Sand hinglitt, dort sich an Steingerölle brach oder in Wasserfällen herabfiel und so bei einer Länge von anderthalb Meilen und einer zwischen dreißig und vierzig Fuß wechselnden Breite nach dem See hinzog. Sein Wasser zeigte sich trinkbar, man durfte also auch annehmen, daß der See Süßwasser enthielt, ein Umstand von Gewicht für den Fall, daß man an seinen Ufern eine bequemere Wohnung, als die in den Kaminen, entdecken sollte.
Was die Bäume betrifft, welche einige hundert Schritte stromaufwärts das Ufer beschatteten, so gehörten sie zum größten Theile denjenigen Arten an, welche in den gemäßigteren Lagen Australiens oder Tasmaniens reichlich vorkommen, und nicht jenen Coniferen, welche die schon bekannten Theile der Insel bis auf einige Meilen von der Freien Umschau bedeckten.
In dieser Jahreszeit, nämlich zu Anfang April, dem Monat, der dem October unserer nördlichen Erdhälfte entspricht, d.h. also gegen Anfang des Herbstes, fehlte es ihnen noch nicht an Belaubung. Vorzüglich erkannte man Kasuarbäume und Eukalypten, deren einige im Frühlinge ein dem orientalischen ganz gleichkommendes Manna liefern mußten. In den Lichtungen erhoben sich wohl auch australische Cedern, bedeckt mit jener Moosart, die man in Neu-Holland »Tussac« nennt. Die Kokospalme dagegen, welche sich auf den Pacifischen Archipelen so reichlich vorfindet, schien der wahrscheinlich unter zu hohem Breitengrade liegenden Insel gänzlich abzugehen.
»Wie schade! rief Harbert, ein so nützlicher Baum mit so schönen Nüssen!«
Vögel gab es in den wenig dichten Zweigen der Kasuarbäume und Eukalypten, welche den Flügelschlag jener nicht behinderten, in großer Menge. Schwarze, weiße und graue Kakadus, Papageien und Sittige in allen denkbaren Farben, »Könige« in prächtiges Grün und leuchtendes Roth gekleidet, blaue Loris und »
Blue-mountains
« erschienen farbenschillernd, als sähe man sie durch ein Prisma, und flogen mit ohrenzerreißendem Geschwätz umher.
Plötzlich erscholl aus einem Dickicht heraus ein Lärmen von den verschiedensten Stimmen. Nacheinander unterschieden die Colonisten den Gesang von Vögeln, den Schrei eines vierfüßigen Thieres und halbarticulirte Laute, welche von einem Eingeborenen herzurühren schienen. Nab und Harbert eilten, die einfachsten Regeln der Klugheit bei Seite setzend, auf das Gebüsch zu. Glücklicher Weise barg dieses weder ein furchtbares Raubthier, noch einen gefährlichen Eingeborenen, sondern ganz einfach ein halbes Dutzend Spott-und Singvögel, welche man als »Bergfasane« erkannte. Einige geschickt geführte Stockschläge machten dem Concerte bald ein Ende und lieferten einen ausgezeichneten Braten für das Abendbrod.
Harbert richtete die Aufmerksamkeit der Wanderer auch auf eine Art prächtiger Tauben mit
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