Sternenfaust - 180 - Wer ist Nummer Eins¿
2. April 2258, Gegenwart
Im letzten Licht der untergehenden Sonne leuchtete der Turm Artorni golden auf. Die festungsartigen Mauern und Rundbögen von Clach-Kylee waren auf diese Entfernung nicht mehr zu erkennen. Nur Artorni schimmerte verheißungsvoll, aber Ash wusste, dass dieser Schein trog. In der hellgrünen Kuppel auf einem Hügel am gegenüberliegenden Ortsende regierte Richard J. Leslie, oder vielmehr Nummer Zwei, eine Kopie des ersten Kommandanten der STERNENFAUST. Und dort befand sich auch die Klon-Anlage, mit der die Feinde beliebige Kopien von Menschen, Morax oder Kridan erschaffen konnten!
Ash duckte sich hinter die Grasbüschel am oberen Rand des Grabens, damit er den Wärmesensoren, über die seine Feinde zweifelsfrei verfügten, keine Angriffsfläche bot. Schon einmal hatten sie ihn damit entdeckt, nachdem ein Rover-Mk-II den Gleiter abgeschossen hatte, den er gekapert hatte. Vorsichtig betastete er die Fleischwunde, die quer über seine rechte Wange verlief. Er konnte nur froh sein, dass das scharfkantige Bruchstück des explodierenden Gleiters ihn nicht näher am Auge getroffen hatte.
Während er krampfhaft die Zähne zusammenbiss, um den Schmerz auszublenden, den jede Berührung der Schnittwunde verursachte, betastete er vorsichtig sein Kinn. Es fühlte sich noch feucht an, und als er die rote Flüssigkeit auf seinen Fingern erblickte, bestätigte sich sein Verdacht. Das rasiermesserscharfe Metallteil hatte eine Ader verletzt, aus der noch immer Blut sickerte.
Ash wischte das halb eingetrocknete Blut von seinem Hals und reinigte die Finger so gut er konnte im Gras. Selbst der Ausschnitt des graublauen Overalls, der hier die Einheitskleidung darstellte, war blutgetränkt. Wenn er nicht in den nächsten Stunden umfallen wollte, musste er die Blutung zum Stillstand bringen.
Es war zu bedauerlich, dass sich in den Überresten des zerfetzten Gleiters kein Medokoffer befunden hatte. Die Nano-Rep-Salbe hätte ihn binnen Minuten all seiner Probleme entledigt, aber so blieb ihm nur seine Hand, die er gegen die Wange drückte.
Ash unterdrückte das Bedürfnis, den Kopf zu schütteln, denn das hätte nur weitere Schmerzen hervorgerufen. Es genügten die Qualen, die von seinem Unterschenkel ausgingen.
Mit grimmigem Gesicht blickte Ash auf das angesengte Hosenbein des Overalls, wo ihn der Thermostrahl von Dana Frost – nein, von Nummer Acht! – gestreift hatte. Er hatte das Kleidungsstück in seiner Wohnung vorgefunden, als er auf diesem verfluchten Planeten zum ersten Mal wach geworden war. Und jetzt hing es in Fetzen über den Brandblasen auf seiner Haut, als Mahnmal für seinen Ein-Mann-Krieg gegen die Klone.
Dabei war Ash kein Soldat, und schon gar nicht war er eine Nummer, wie ihm Leslies Klon weismachen wollte. Er war nicht Nummer Neun, auch wenn ihm das Neuro-Implantat dies suggeriert hatte. Er war Arzt, Dr. Ashkono Tregarde, Wissenschaftler und Nobelpreisträger. Sein Job war es, Leben zu erhalten und zu retten.
Dennoch hatte er getötet. In Notwehr, aber es hätte ihm fast das Herz gebrochen. Er musste sich immer wieder selbst sagen, dass die Frau, die er auf dem Gewissen hatte, nicht Dana Frost war. Sie war eine Kopie jener Frau, für die er heimlich Gefühle gehegt hatte.
Wieder einmal kam ihm zu Bewusstsein, wie einsam er auf diesem mörderischen Planeten war, der nur von Feinden bevölkert war.
Aber er musste weitermachen, musste alles daransetzen, diesem Irrsinn ein Ende zu bereiten. Er allein, bewaffnet mit einem Thermostrahler und sonst nichts. Sein Ziel war die zentrale DNA-Datenbank von Luona-Binn, in der alle Klonmuster hinterlegt waren. Die Stadt lag im Westen von Clach-Kylee, so viel wusste er bereits aus dem letzten Kontakt mit dem HIVE-Bewusstsein, bevor das Implantat seine Funktion eingestellt hatte. Wie weit im Westen die Stadt lag, konnte er jedoch nicht einmal schätzen. Er wusste nur, dass die dortige Energiekuppel um ein Vielfaches größer als die von Clach-Kylee war.
Und noch etwas wusste er. Er durfte nicht den direkten Weg nach Luona-Binn nehmen. Dafür hatte der Fahrer des Antigravgleiters gesorgt, der alle Umstände des Absturzes an das HIVE übermittelt hatte. Deshalb war Ash zunächst auch nichts anderes übriggeblieben, als nach Westen zu gehen, um die Verfolger in dem Glauben zu lassen, dass dort sein Ziel lag.
Denn das war das Wichtigste. Er musste erst einmal die Verfolger abschütteln.
Außer Sichtweite des Fahrers war er deshalb im
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