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Die geheimnißvolle Insel

Die geheimnißvolle Insel

Titel: Die geheimnißvolle Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Pencroff. Mit meiner Hacke will ich mich durch diese Mauer schon zum Tageslichte hindurcharbeiten. Wo soll ich einschlagen?
    – Hier«, bedeutete ihn der Ingenieur und wies auf eine merkliche Vertiefung in der Wand, welche deren Durchmesser vermindern mußte.
    Pencroff griff den Granit mit seiner Spitzhaue an, daß er Funken gab und die Stücken umherflogen. Nab löste ihn nach einer halben Stunde ab; diesem folgte Gedeon Spilett.
    Schon währte die Arbeit zwei Stunden lang, und befürchtete man fast, daß die Mauer doch wohl zu dick sei, als beim letzten Schlage Gedeon Spilett’s das Werkzeug die Granitwand durchdrang und hinaus fiel!
    »Hurrah! Und abermals Hurrah!« rief Pencroff.
    Die Steinmauer maß nur drei Fuß im Durchmesser. Cyrus Smith näherte sich der Oeffnung, welche sich etwa achtzig Fuß über dem Erdboden befand. Vor seinen Augen lag der Strand, das Eiland und weiter hinaus das unendliche Meer.
    Durch das in Folge des Nachbrechens des Gesteins ziemlich umfängliche Loch drang aber auch das Licht ein, und brachte in der prächtigen Höhle wirklich zauberhafte Effecte hervor. Wenn jene nach links hin bei hundert Fuß Länge nur etwa dreißig Fuß in der Höhe und Breite maß, so war ihr Umfang nach rechts hin desto bedeutender, und wölbte sich ihre Decke in einer Höhe von achtzig Fuß. In unregelmäßiger Anordnung strebten da und dort Granitsäulen in die Höhe, welche die Bogen trugen, die sich auf Wandpfeiler zu stützen schienen. Einmal war die Wölbung eine flache, das andere Mal stieg sie auf schlanken Rippen in die Höhe und bildete Spitzbogen, Tonnengewölbe, kurz, ein Kirchenschiff, in dem Alles vertreten war, was des Menschen Hand im byzantinischen, römischen und gothischen Baustyle nur jemals hervorgebracht hat. Und hier stand man vor einem Meisterwerke der Natur, sie allein hatte diese feenhafte Alhambra in dem Urgebirge ausgearbeitet!
    In staunender Bewunderung sahen es die Colonisten. Wo sie nur eine enge Höhle zu finden glaubten, da fanden sie einen prächtigen Palast, und Nab hatte wie vor Andacht den Kopf entblößt, als sei er in ein Gotteshaus versetzt!
    Laut schallten bei diesem Anblicke die Hurrahrufe und verloren sich in vielfachem Echo wiedertönend in dem halbdunklen Bogenschiffe.
    »Ah, meine Freunde, sagte Cyrus Smith, wenn wir hier dem Lichte den nöthigen Zugang verschafft und unsere Zimmer, Vorrathskammern und Werkstätten in diesem linken Theile eingerichtet haben dann bleibt uns noch immer diese prächtige Höhle, die unseren Lehrsaal, unser Museum darstellen wird.
    – Und ihr Name? fragte Harbert.
    – Granit-House« 1 , antwortete Cyrus Smith, ein Name, dem seine Gefährten ihren Beifall zujauchzten.
    Die Fackeln gingen allmälig zur Neige, und da man, um wieder herauszukommen, den Gang bis zum Plateau hinauf ersteigen mußte, beschloß man, alle weiteren Vorarbeiten zur Einrichtung auf den nächsten Tag zu verschieben.
    Noch einmal, bevor sie aufbrachen, neigte sich Cyrus Smith forschend über den dunklen Schacht, der senkrecht bis zum Niveau des Meeres hinabreichte. Er horchte aufmerksam. Kein Laut ließ sich vernehmen, nicht einmal ein Rauschen des Wassers, welches der Seegang doch dann und wann bewegen mußte.
    Noch ein brennender Zweig ward hinabgeworfen, der die Wände des Schlundes auf einen Augenblick erleuchtete, ohne daß, ebenso wie früher, irgend etwas Verdächtiges in die Augen gefallen wäre. Hatte das völlig abfließende Wasser hier auch irgend ein Seeungeheuer überrascht, so mußte dieses wohl durch den sich unter dem Strande hin fortsetzenden Schacht das Meer wieder erreicht haben.
    Unbeweglich und mit lauschendem Ohre lag der Ingenieur noch immer, ohne ein Wort zu sprechen, über den Abgrund geneigt.
    Der Seemann näherte sich ihm und berührte leise seinen Arm.
    »Mr. Smith! sagte er.
    – Was wollen Sie, lieber Freund? fragte der Ingenieur, der wie aus einem Traume zu sich kam.
    – Die Flammen werden bald erlöschen.
    – Vorwärts denn!« sagte Cyrus Smith.
    Die kleine Gesellschaft verließ die Höhle und kletterte den dunklen Gang hinauf. Top trabte nach und ließ noch immer von Zeit zu Zeit ein grimmiges Knurren hören. Einen Augenblick verweilten die Colonisten in der oberen Grotte, welche eine Art Treppenabsatz bildete. Dann setzten sie ihren Weg weiter fort.
    Bald spürten sie das Eindringen der freien Luft. An den Wänden glänzten die vom Luftzuge aufgesaugten Tröpfchen nicht mehr. Langsam wurden die rauchenden Harzbrände

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