Die geheimnißvolle Insel
verschiedenen Arbeiten rasch vorwärts. Cyrus Smith, der seinen einsichtigen und fleißigen Arbeitern immer mit gutem Beispiele voranging, war eben in allen Sätteln gerecht. Man arbeitete voller Vertrauen, selbst heiter, da Pencroff immer ein Scherzwort auf der Zunge hatte, wenn er jetzt als Zimmermann, dann als Seiler oder Maurer thätig war und dieser ganzen kleinen Welt seine ewig gute Laune mittheilte. Seinen absoluten Glauben an den Ingenieur vermochte Nichts zu erschüttern. Er hielt ihn für fähig, Alles zu unternehmen und erfolgreich auszuführen. Die übrigens sehr gewichtigen Fragen wegen der Bekleidung und des Schuhwerks, die der Beleuchtung während der Winterabende, der Urbarmachung der Insel, der Veredelung der wildwachsenden Pflanzen, – alle schienen ihm mit Cyrus Smith’s Hilfe sehr einfach und leicht zu lösen. Er phantasirte von schiffbar gemachten Flüssen, zur Erleichterung des Transports der Bodenreichthümer der Insel, von Ausbeutung der Steinbrüche, Anlegung von Bergwerken, von Maschinen zu allen industriellen Zwecken, von Eisenbahnen, ja! von Eisenbahnen, einem ganzen Netze solcher, das einst die Insel Lincoln bedecken werde.
Der Ingenieur ließ Pencroff plaudern und vergönnte seinem guten Herzen jene unschuldigen Uebertreibungen. Er wußte, wie leicht sich das Vertrauen weiter verbreitet, lachte selbst, wenn er Jenen so schwärmen hörte, und sprach nicht von der Unruhe, die ihm die Zukunft doch dann und wann einflößte. In diesem Theile des Pacifischen Oceans, weit abseits von den gewöhnlichen Schiffscursen, konnte man leicht für immer auf jede Hilfe verzichten müssen. Dann hatten die Colonisten nur auf sich, allein auf sich selbst zu rechnen, denn die Insel Lincoln lag ja so weit von jedem Lande entfernt, daß es ein zu gefahrvolles Unternehmen blieb, mit einem nicht ganz seetüchtigen Fahrzeuge diese ungeheure Strecke zurücklegen zu wollen.
Aber sie schlugen doch, wie der Seemann zu sagen pflegte, die anderen Robinsons, die allemal ein Wunder gethan zu haben glaubten, wenn sie etwas fertig brachten, »wenigstens um hundert Nasenlängen«.
In der That, sie »hatten ja Kenntnisse«, und der »wissende« Mann siegt noch über Verhältnisse, unter denen Andere nur mühsam vegetiren und unvermeidlich untergehen.
Harbert zeichnete sich bei jeder Arbeit aus. Begabt und fleißig, begriff er Alles leicht und führte es gut aus, so daß Cyrus Smith sich Tag für Tag mehr zu ihm hingezogen fühlte. Harbert hegte für den Ingenieur eine innige und achtungsvolle Freundschaft Pencroff bemerkte wohl die Bande, welche Beide immer enger an einander knüpften, ohne doch darüber eifersüchtig zu werden.
Nab blieb eben Nab. Wie immer war er der personificirte Muth, Eifer, die Ergebenheit und Selbstverleugnung Mit demselben Vertrauen zu seinem Herrn wie Pencroff, äußerte er dasselbe doch minder laut. Wenn Pencroff ganz außer sich gerieth, nahm Nab immer eine Miene an, als wolle er sagen: »Das geht ja Alles ganz natürlich zu!« Pencroff und er waren sich jedoch herzlich zugethan und duzten sich schon seit längerer Zeit.
Auch Gedeon Spilett entzog sich seinem Theile der allgemeinen Arbeit nicht und erwies sich nicht als der Ungeschickteste, – zum größten Erstaunen des Seemanns. Ein »Journalist« und geschickt, nicht nur Alles zu begreifen, sondern es auch auszuführen!
Die Strickleiter wurde am 28. Mai endgiltig angebracht. Auf die Höhe von achtzig Fuß zählte sie nicht weniger als hundert Stufen. Glücklicher Weise hatte Cyrus Smith dieselbe in zwei Theilen ausführen lassen können, weil sich etwa in der halben Höhe ein Vorsprung im Felsen fand, der gleichsam als Podest diente. An diesem befestigte man, nachdem er durch Hacke und Meißel möglichst gut eingeebnet war, den einen Theil der Leiter, deren Schwanken hierdurch natürlich weit geringer wurde, als wenn die ganze Länge aus einem Stück bestanden hätte. Der andere Theil der Strickleiter fand an demselben Podest und der Thür seine Stützpunkte. Wenn diese Anordnung das Besteigen schon merklich erleichterte, so gedachte Cyrus Smith doch später einen hydraulischen Aufzug zu errichten, um den Bewohnern des Granithauses jede Anstrengung und allen Zeitverlust zu ersparen.
Die Colonisten gewöhnten sich sehr bald an die Besteigung dieser Leiter. Selbst gewandt genug, hatten sie überdem Pencroff, der in seiner Eigenschaft als Seemann ihnen mit der nöthigen Unterweisung an die Hand ging. Vorzüglich mußte aber Top
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