Die geheimnisvolle Diebesbande
lange in mir nachklingen.“
„Ja, sie ist eine phantastische Sängerin!“ schwärmte Tini. „Ich wünschte, wir könnten sie öfter so hören!“
„Nun, für euch singt sie doch immer gern“, meinte Frau Neumann lächelnd.
„Ja, aber so ein Konzert — mit Publikum meine ich — das ist was ganz anderes. Es... es hat so eine ganz besondere Atmosphäre, ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll.“
„Ich weiß schon, was du meinst. Es ist wie ein Fest, und was wäre ein Fest ohne Gäste, nicht wahr? So braucht der Sänger sein Publikum, um sich richtig zu entfalten.“
„Wir drei sind zu wenig Publikum für Frau Hofer, auch wenn wir sie noch so sehr bewundern!“ fiel Tina ihrer Mutter ins Wort.
„Auch der Saal spielt eine Rolle, der große Raum, in dem sich die Töne erst richtig entfalten können. Aber kommt, es geht weiter!“ sagte Frau Neumann. „Wir müssen unsere Plätze einnehmen.“
Tina und Tini erboten sich, Gläser und Platten abzuräumen, aber Fräulein Herbst lehnte energisch ab. So kehrten sie in den Saal zurück und unterhielten sich flüsternd über die Gäste. Bald darauf erschien Frau Hofer, und das Konzert ging weiter. Den Marienliedern folgten ein paar schlichte Volkslieder, sie wurden von ein paar Scherzliedern abgelöst. Das Programm endete mit englischen und französischen Liebesliedern aus dem Mittelalter.
Es war abzusehen gewesen, daß das Publikum stürmisch nach Zugaben verlangen würde, und Frau Hofer hatte sich für diesen Zweck einige sehr populäre Stücke zurechtgelegt. Sie begann mit dem Largo von Händel, gab nach einigem Zögern Mozarts Ave Verum zu, um schließlich mit einem Gute-Nacht-Lied energisch darauf hinzuweisen, daß sie das Konzert nun zu beenden wünschte. Noch einmal brandete der Applaus zu ihr hinauf, dann begann allgemeines Stühlerücken , die Künstlerin wurde von ihren Bewunderern umringt und mit Lobeshymnen überschüttet.
„Kommt, wir müssen ihr auch gratulieren!“ sagte Tini und zog Tina mit sich fort.
Frau Wohlgemut trat aus einer Seitentür und überreichte Lisa Hofer einen riesigen Blumenstrauß; die Generalin schüttelte der Sängerin ein Dutzend Mal die Hand.
Tina und Tini hatten es schwer, bis zu ihrer Freundin vorzudringen, denn jetzt wurden der Sängerin erst einmal die Mitglieder des Clubs vorgestellt.
„Frau Generalin von Momme , unsere Ehrenpräsidentin“, erklärte Frau Wohlgemut, den Arm freundschaftlich um die alte Dame mit dem Krückstock gelegt, was diese offensichtlich als nicht ganz passend empfand. „Und hier darf ich Sie mit unserer Schriftführerin Frau Diestel bekanntmachen. Das hier ist unser liebes Fräulein Herbst, unentbehrlich in allen Fragen der Organisation...“ Frau Wohlgemut zog die Spitzgesichtige heran, die sich ein wenig zierte. „Und das hier, kommen Sie doch, meine Liebe, der kleine Verband wird unsere Meisterin nicht stören! Das ist unsere Frau Franzke, zu Lebzeiten ihres Mannes tüchtige Geschäftsfrau, Franzke & Meyer, Eisenwaren en gros, nun, Sie werden den Namen nicht kennen, es war lange vor Ihrer Zeit hier, daß der arme Herr Franzke sein Geschäft verlor und aus Kummer darüber starb.“
Frau Hofer streckte die Hand aus, um Frau Franzke zu begrüßen, zog sie aber zurück, als sie den Verband daran erblickte.
„Oh, Sie Ärmste — sie haben sich verletzt?“
„Eine kleine Ungeschicklichkeit... äh, ja, beim Tomatenschneiden in der Küche, das Messer ist mir abgerutscht.“
„Das tut mir leid. Es ist hoffentlich nicht schlimm?“
„Nein, nein, nur ein kleiner Schnitt.“
Jetzt schob sich eine hagere, streng aussehende Dame in den Vordergrund und sah Frau Wohlgemut ärgerlich an.
„Oh, jetzt wird es aber Zeit, daß ich Ihnen unsere liebe Studienrätin Frau Fuchs vorstelle“, beeilte sich Frau Wohlgemut zu sagen. „Sie ist für den Bereich Kultur zuständig und wir verdanken ihr die hervorragendsten Veranstaltungen auf diesem Gebiet. Und hier haben wir unsere liebe Frau Treuchtlinger . Sie lacht so gern und ist immer fröhlich, ein Gewinn für uns alle.“
Tini sah seufzend zu Tina hinüber. Es war aussichtslos, jetzt zu Frau Hofer vorzudringen, sie mußten sich ihre Gratulation für später aufheben. Gerade stellte Frau Wohlgemut kichernd den einzigen Mann im Club vor, einen verkniffenen Alten mit einem ledernen, faltigen Gesicht, schütteren Haaren und Augen, die wie glänzende schwarze Knöpfe unter den eisgrauen Augenbrauen hervorblitzten. Weißfuß hieß er und war der
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