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Die geheimnisvollen Pergamente

Die geheimnisvollen Pergamente

Titel: Die geheimnisvollen Pergamente Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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unternehmen. Vielleicht standen die Räuber mit jemandem in Verbindung, der etwas mit der Lösegeldforderung zu tun hatte. Vielleicht führte sie ihr Weg ja auch nach Jerusalem. Aber wie waren sie ausgerechnet auf ihn gekommen? Ein harmloser, unauffälliger Reiter im Herrschaftsgebiet der Mamelucken?
    Also hatte ihn sein Gefühl, dass man ihn seit dem Hafen Akkons beobachtet hatte, nicht getrogen. Henri hätte alles besser gemacht als er, dachte Sean. Offensichtlich waren diese Räuber keine gewöhnlichen Wegelagerer. Aber wer stand hinter ihnen?
    Hunger und Durst waren so groß geworden, dass er diesen Gedanken nicht länger verfolgte. Ihm war klar, dass er bei der ersten Gelegenheit, die sich ihm bot, flüchten würde.
    Ein Räuber drückte ihm einen Holzbecher mit heißem Aufguss in die Hand.
    »Trink! Und denk nicht einmal daran, wegzurennen.«
    »Danke«, sagte Sean und war sich der Seltsamkeit dieser Stunde wohl bewusst. Noch vor kurzer Zeit hatten er und diese Männer sich bis aufs Blut bekämpft; jetzt schienen sie sich wie Teilnehmer einer Karawane ohne schwere Lasten zu verhalten. Dieser Gedanke gab ihm Hoffnung, alles unbeschadet überstehen zu können. Jerusalem ist weit, dachte er und trank den warmen Aufguss, als hinge sein Leben davon ab.
     
    Drei Stunden später waren die Räuber aufgebrochen. Sie ritten und liefen in Richtung Jerusalem, nicht zurück nach Sichern. Seans rechte Hand war am Knauf seines Sattels festgebunden, in dem einer der verwundeten Räuber saß und ritt; Sean lief langsam, mit langen Schritten, neben ihm her.
    Er wusste nur, dass die Entfernung zwischen Sichern und Jerusalem ungefähr so groß wie vier Tagesritte war. Er stöhnte auf. Vier Tage zu Fuß durch Staub und Hitze! Vielleicht bot sich ihm eine Gelegenheit zur Flucht. Zuerst musste er aber, so gut dies unter den mehr als misslichen Umständen möglich war, seine Kräfte sammeln.
    Er hielt sich am Sattel fest, spannte seine schmerzenden Muskeln, um sich hochzuziehen und so seine Schritte leichter werden zu lassen. Die Straße lag noch im Schatten der Felsen, deren obere Kanten sich messerscharf gegen den Himmel abhoben. Sean dachte, dass sich dies bald ändern würde. Dann erst würden die wirklichen Qualen beginnen. Ihm war nach allem anderen zumute, als ein fröhliches Liedchen auf seiner Flöte zu spielen, aber zum Glück hatte das kleine Instrument den Kampf unbeschadet überstanden.

5
    Beim Licht einer Öllampe, nachts in Al Quds
     
    Aus dem Garten kam das einschläfernde Geräusch des Wassers, das aus dem Brunnen über marmorne Ziersteine sprudelte. Das Geräusch wurde fast vom leisen Rascheln der Blätter übertönt. Tauben gurrten im Schlaf. Der Nachtwind strich durch die durchbrochenen Läden und verteilte Blütenduft im Zimmer. Irgendwo in den Bäumen schrie ein Nachtvogel.
    Die Feder kratzte über Pergament. Der Schatten des Schreibwerkzeugs tanzte über das Blatt. Die Flamme der Öllampe verbreitete Hitze und den Geruch siedenden Öls. Ab und zu zuckte etwas wie ein Blitz durch die Dunkelheit des Zimmers. Die Flamme funkelte von einem Spiegel zurück, der nicht größer war als eine Handfläche.
    Die Hand, die ins Licht glitt und wieder zurück in den Schatten, war leicht gebräunt und gehörte einem jungen Mann. Die Fingernägel waren sauber und gepflegt. Der junge Mann schrieb von rechts nach links und zog jeden Buchstaben sorgfältig nach.
    Er schrieb in Spiegelschrift.
    Nach jedem zweiten Wort nahm er den Spiegel, hauchte ihn an und putzte die dünne Silberschicht. Dann stellte er ihn wieder hochkant über die unvollendete Zeile und schrieb die nächsten Worte: Im Namen Allahs, des Allbarmherzigen. O ihr Menschen, fürchtet Gott, der euch aus einem einzigen Wesen, Adam, geschaffen hat und aus diesem dessen Weib, Eva, und aus beiden viele Männer und die Weiber werden ließ.
    Dies stammte aus der vierten Sure des Koran, der Sure über die Weiber, Al-Nisa, die zu Medina offenbart wurde.
    Der junge Mann schrieb mit äußerster Sorgfalt weiter. Er wirkte so, als habe er Angst, auch nur den winzigsten Fehler zu machen. Im zuckenden Licht wirkten seine Augen wie die eines gehetzten Tieres, schnell und aufgeregt. Die Hände waren sehnig, die Finger lang und kräftig, und wenn das Licht auf Gesicht und die Schultern des etwa 20-jährigen Mannes fiel, wenn er sich vorbeugte und, die Zunge zwischen den Lippen, weiterschrieb, hätte man ihm ansehen können, dass er dazu neigte, wild und unbeherrscht zu handeln.
    O

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